Beeindruckende Bilanz
Das ist noch mehr zum zentralen Anliegen geworden, seit Inklusion einen hohen Stellenwert besitzt. Dass dies aber in vielen Fällen eine Herausforderung darstellt, die vom Lehrpersonal nicht so einfach bewältigt werden kann, ist eine Tatsache. „Besonderer Förderbedarf im emotionalen und sozialen Verhalten“ – was so bürokratisch klingt, kann sich im Alltag so äußern, dass Aggressionen sich Bahn brechen, so dass normaler Unterricht kaum noch möglich ist und ganze Klassen darunter leiden. Hier setzt die Arbeit der Fachkräfte des ZeBiM an. „Türen öffnen und Wege finden“ lautet ganz einfach das pädagogische Motto. Seit 20 Jahren wird dies mit großem Erfolg praktiziert. Aus diesem Anlass hatte EVIM am 24. April ins Kreishaus nach Hofheim eingeladen, um mit Mitarbeitenden und Partnern aus Verwaltung und Politik das Jubiläum zu begehen. Der Kreis hatte maßgeblich am Entstehen des ZeBiM mitgewirkt. In drei Teams aufgeteilt arbeiten 22 Fachkräfte an 51 Schulen im Kreis und betreuen 190 Kinder in ihrem Schul- und Lebensumfeld. Das „Hauptquartier“ von ZeBiM ist in Hattersheim. In den 20 Jahren wurden über 1500 Jugendliche betreut, die große Mehrheit davon Jungen. Alle Schulformen sind dabei etwa in gleicher Anzahl vertreten. Die durchschnittliche „Fallbegleitung“ beträgt immerhin 19 Monate. Rund 4000 Einzelberatungen wurden durchgeführt, auch „Schulteams“ und „Klassentrainings“ gehören zum Angebotsportfolio.
„In jedem Kind stecken Möglichkeiten und Chancen“
Der Erfolg gibt dem Konzept Recht: 97 Prozent der Jugendlichen, also nahezu alle, können an der allgemeinen Schule verbleiben. Grund genug, um bei diesem Jubiläum eine positive Bilanz zu ziehen. Carlos Müller, Geschäftsführer der EVIM Bildung, begrüßte im Kreishaus und blickte zurück: „Aus unserer Idee wurde eine Institution.“ Sein Dank ging an Behörden, Politik und Schulen sowie alle weiteren Kooperationspartner. Der Landrat Michael Cyriax erinnerte in seinem Grußwort an 2003, als man eigentlich eine neue „Schule für Erziehungshilfe“ gründen wollte. Daraus wurde nichts, stattdessen entstand Kontakt zum damaligen Leiter der EVIM-Bildung, Gerhard Kopplow, und mit ihm gemeinsam wurde ein anderer Ansatz entwickelt. „Denn in jedem Kind stecken Möglichkeiten und Chancen“, sagte Cyriax. Man müsse die Kinder nur entsprechend „mit Stärken ausstatten“. Somit sei der Kreis zum Vorreiter für Inklusion geworden. Wichtig sei heute mehr denn je, positive Zukunftsbilder, Optimismus zu vermitteln. „Aus Zuversicht entsteht Selbstbewusstsein.“ Die Erfolgsgeschichte möge sich weiter fortsetzen, hoffte der Landrat.
Daniel Bognar vom Hessischen Kultusministerium sagte, ZeBiM habe gezeigt: „Wir können Dinge zum Guten verändern“. Starke Kinder, die in die Gemeinschaft finden, „das hilft dann auch dem gesamten gesellschaftlichen Zusammenhalt“. Zuverlässige Bindungen hätten heute viele Kinder nicht mehr. „Da kommt ZeBiM ins Spiel.“ Prävention sei wichtig, auch das Prinzip „runder Tisch“ mit allen beteiligten Akteuren sei das Richtige. Man müsse, so Bognar, „die Schüler mit ihren Ressourcen sehen.“ Damit stelle ZeBiM ein „Vorzeigemodell“ dar. „Wir sind froh, dass es ZeBiM gibt.“ Ebenso sagte Martina Kutschinski vom Staatlichen Schulamt Rüsselsheim, angesichts immer größerer Herausforderungen, die sich während Corona noch zuspitzten, „brauchen die Schulen Hilfe. Danke dafür an ZeBiM“. Es sei eine nicht mehr wegzudenkende Institution geworden.
Passgenaue Projekte
Die Leiterin von ZeBiM, Sandra Steube, gab mit einem fachlichen Vortrag Einblick in die praktische Arbeit. „Welche Kinder meinen wir? Es sind die Verzweifelten und Provokanten, die Traurigen, Einsamen, Aggressiven und Depressiven, die Mobbenden und Gequälten und die, die vom Radar verschwinden.“ Viele verschiedene Probleme seien es, die sich im Alltag stellten. Mit Lösungs- und zielorientierter „Schnittstellenarbeit“ gelinge es meist, an den einzelnen „Fällen“ konstruktiv zu arbeiten. Dabei blickte Steube auf verschiedene Projekte zurück, die im Lauf der Zeit entwickelt wurden: Mit „Klasse außer Rand und Band“ wurde bei einer besonders herausfordernden Klasse wieder eine Gemeinschaft aufgebaut. Es gab ein Projekt zur Prävention von Teenager-Schwangerschaften. Ebenso wurde Kindern mit Hochbegabung Aufmerksamkeit gewidmet, denn hier können herausfordernde Verhaltensweisen entstehen, wenn die Förderung nicht stimmt. Während Corona konnte man sich draußen mit „Walk and Talk“ unterhalten und es gab ein „Street-Art-Projekt“. Aktuell bereitet man eine „Familienwerkstatt“ vor. Neue Ideen gibt es immer, je nach aktuellem Bedarf. Und dann blendet Sandra Steube Dankesworte ein, die ihr von Eltern, Lehrern und Lehrerinnen, Schulleitungen – und Jugendlichen geschickt wurden. Bescheinigt wird übereinstimmend Professionalität und Erreichbarkeit, Kompetenz, Respekt, Zuverlässigkeit. Und eben das zuverlässige Zuhören – auch bei „Hulla im Kopf“. (abp)