Alt und Jung im Regenbogenland

„Regenbogenland“ ist die kreative Leitidee für ein neues Präventionsprojekt in Wiesbaden, das Kinder der Evangelischen Kita Kreuzkirchengemeinde und Senioren aus dem EVIM Johann-Hinrich-Wichern-Stift auf besondere Weise zusammenbringt. Dabei werden Themen wie Entspannung, Achtsamkeit und Balance spielerisch vermittelt. Entwickelt hat das Projekt der Frankfurter Verein „Mehr Zeit für Kinder“, der es in der Landeshauptstadt gemeinsam mit der R+V BKK umsetzt.

Hierfür begleitet ein Team aus zwei Entspannungspädagoginnen beide Einrichtungen über ein halbes Jahr, schult das Team der sozialen Betreuung und Erzieherinnen und führt Workshops mit den Kindern und Senioren durch. Erlernt werden Entspannungstechniken und Übungen aus Bereichen wie Yoga, Autogenes Training und Atemtechnik. Das Projekt gliedert sich in vier Farbwelten – angelehnt an die Farben des Regenbogens. Beim zweiten gemeinsamen Workshop im Wichernstift am 10. April war dies - passend zur schönsten Jahreszeit – die Farbe Grün. Im Mittelpunkt standen Sinnes- und Achtsamkeitsübungen mit Naturmaterialien.

Schwungvoller Start

Knapp ein Dutzend Seniorinnen und Senioren hatten sich dazu in der Cafeteria des Seniorenzentrums eingefunden. Die kleinen, weißen Hocker neben ihren Rollstühlen waren für die 16 Mädchen und Buben bestimmt, die ganz ohne Scheu ihre Plätze einnahmen. Wer entspannen will, muss vorher aktiv sein. Eva Grafmüller und Luisa Drop von Mehr Zeit für Kinder brachten dafür ein sehr großes, buntes Schwungtuch mit, das die Kinder mit Oh und Ah bestaunten. Jung und Alt hielten das Tuch sanft in Bewegung, juchzend mit strahlenden Augen. Das Alter spielte keine Rolle, denn nur wenn jeder die Arme bewegt, schwebt es auf und nieder, fallen die Luftballons darauf nicht herunter. In immer neuen Spielvariationen wurden so Koordination, Beweglichkeit und Gleichgewichtssinn trainiert. Für die anschließenden Entspannungseinheiten bildeten sich kleine Teams. Dabei halfen die beiden Erzieherinnen Elena Milyushko und Martina Slezak sowie die Mitarbeiterinnen aus dem Wichernstift. Sie wurden zuvor intensiv auf die Techniken und Übungen vorbereitet. 

Natur-Mandala

Alena und Emilia, beide fünf Jahre alt, spielten mit Dorothea Struckmann (97) und Marianne Iser (84) Fühlmemory. Aus Säckchen, die mit Kastanien, Steinchen oder Eicheln und Kork befüllt waren, fühlten sie das entsprechende Gegenstück heraus. Ganz selbstverständlich waren Jung und Alt im Spiel vertieft, rasch kamen sie über diesen Austausch in Kontakt. Dorothea Struckmann staunte „wie sehr die Kinder bei der Sache sind“. Sie lobte die „tolle Idee“ und wünschte sich gerne noch einmal in die Kindheit zurück. Die ehemalige Schneiderin beobachtete mit fachkundigem Blick und sichtlicher Freude, wie Alena und Emilia mit den erfühlten Naturmaterialien Mandala-Muster in ein kreisrundes Tuch legten. „Die Kinder werden angeregt, etwas zu machen, damit sie selbstständig werden“, sagte sie beeindruckt. Bei dieser Übung, die auch dem Stressabbau und der Konzentration diente, wurde es für Minuten ganz still im Raum. Die Buben und Mädchen halfen den Senioren und legten für sie deren erfühlte Naturmaterialien in die Mitte. 

Nachhaltigkeit im Vordergrund

Spielt Stressabbau auch bei den Ältesten eine Rolle? „Unbedingt“, bestätigt Christina Campe, die das Seniorenzentrum leitet. Das Projekt habe mit Themen zur Entspannung einen neuen Fokus in die Arbeit gebracht. „Dem Gefühl von Ängsten und Abhängigkeiten kann damit wirksam entgegnet werden“, sagte die Leiterin. Im Wichernstift wurde bereits eine Wochenendgruppe geplant. Sie soll den Senioren und den geschulten Mitarbeitenden in der zusätzlichen Betreuung verhelfen, den Stressabbau zu fördern und mehr innere Balance zu erlangen. Das berührt einen weiteren wichtigen Aspekt des Projektes, das auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. Das Projekt befähigt auch das Pflege- und Betreuungspersonal, Übungseinheiten durchzuführen. Dafür erhalten die Teilnehmer Praxismaterialien. 

Ein tolles Beispiel für andere

Sandra Ewert vom Sozialen Dienst im Wichernstift, hat das Projekt vor Ort mit Herzblut organisiert und begleitet. Sie würdigte die hervorragende Zusammenarbeit mit der Betriebskrankenkasse, die insbesondere von Katja Alff sehr engagiert gestaltet wurde. Gemeinsam mit dem Kita-Team hat sie bereits einen Nachfolge-Workshop im Herbst geplant. Diese Initiative lobte auch der stellvertretende Vorstand der R+V BKK Thomas Schaaf, der dem geförderten Projekt an diesem Tag nicht nur einen Besuch abstattete. Begeistert nahmen er und sein Mitarbeiter Manfred Gaitzsch aktiv an der Schulung teil und informierten sich so aus erster Hand. „Prävention und Gesundheitsförderung sollen dort greifen, wo Menschen leben, lernen und arbeiten“, so Schaaf. Die Workshop-Reihe in den beiden Einrichtungen habe alle Anforderungen an Förderung im besten Sinne erfüllt. Er hoffe, dass sich von dem beispielhaften Start des neuen Präventionsprojektes in Wiesbaden weitere Einrichtungen inspirieren lassen und neue Kooperationen „im Regenbogenland“ entstehen können.
Foto (Thomas Martin)