Im Rahmen eines Austauschprojektes über den Deutsch-Französischen Bürgerfonds besuchten die Bewohner:innen aus dem Wohnhaus Schulstraße und der Wohnanlage Schlocker-Stiftung mit drei Betreuer:innen das „Maison Perce-Neige“ in St. Paul en Jarez. Wie sie in ihrem Zuhause in Hattersheim leben dort 30 Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung, die professionell betreut werden. „Die Wohnanlage mit ihren kleinen Häusern erinnert sogar ein wenig an unsere Zweigstelle in der Dürerstraße“, berichtet Einrichtungsleiterin Nicola Böhm, die mit ihren Teamkollegen Nils Bayer und Nathalie Böttcher den Besuch mit organisiert und begleitet hat. Die Idee zu diesem Projekt entstand über familiäre Kontakte eines Bewohners zu der dortigen Regionalberaterin des Deutsch-Französischen Bürgerfonds Antje Aubert. Bei einem privaten Besuch an Weihnachten 2021 kam es zu einem ersten persönlichen Treffen bei EVIM, aus dem sich rasch konkrete Schritte für die Planung des Vorhabens entwickelt haben. Antje Aubert stellte den Kontakt zwischen der französischen Einrichtung in der Region Auvergne-Rhône-Alpes und den beiden EVIM Einrichtungen her. Die Fachkräfte beider Seiten waren von dem Vorhaben begeistert. „Über sprachliche Barrieren hinweg Europa in einfacher Sprache und durch aktive Teilhabe für unsere Klient:innen erfahrbar zu machen, ist ein großer Gewinn und ein positives Erlebnis für jeden Einzelnen“, erzählt Nicola Böhm.
Sechs erlebnisreiche Tage
Der Deutsch-Französische Bürgerfonds übernahm achtzig Prozent der Projektkosten. Die restlichen Gelder steuerten die Teilnehmer:innen selbst bei. Durch das Infektionsgeschehen konnten die leitenden Angestellten nicht wie geplant im Frühjahr, sondern erst im Sommer diesen Jahres zu einem Antrittsbesuch nach Frankreich fahren. Bei diesem Treffen wurde der Austauschbesuch mit den Partnern vorbereitet und geplant. Im Herbst wurde dann der Traum wahr. Vom 10. bis 15. Oktober 2022 besuchte die Gruppe aus Hattersheim die Einrichtung in St. Paul en Jarez. Das Programm war randvoll mit spannenden, interessanten Begegnungen, Besuchen und Erlebnissen, die bis heute für leuchtende Augen und begeisterte Berichte bei den Klient:innen sorgen. In puncto sprachlicher Verständigung gab es kaum Schwierigkeiten, denn es standen immer professionelle Übersetzer und Antje Aubert zur Verfügung, die viele Aktivitäten begleitete. „Den Rest machten wir einfach mit Händen und Füßen“, berichtete das Team. Und französische Vokabeln wie Merci, Au revoir und Bonjour haben die beeinträchtigten Teilnehmer:innen auch heute sofort parat.
Vom Diskoabend bis zum Kochworkshop
Leon Schildwächter, mit 23 Jahren der Jüngste aus der Gruppe, schwärmt wie seine Mitbewohner vom Stadionbesuch in St. Etienne beim dortigen Fußballclub. Erste Schnupperstunden auf dem Tennisplatz blieben vielen genauso in besonderer Erinnerung wie der Disko- und Partyabend oder das Wellness-Programm. Zu den ganz großen Highlights für die Klient:innen gehörten unbestritten der Abend mit einem Restaurantbesuch und Cocktailverkostungen im Kneipenviertel von St. Etienne. Zu den kulinarischen Highlights gehörte auch der Abend in einer Auberge in den Bergen mit regionalen Spezialitäten von Bauern der Region. Überhaupt sei das Essen, so Norbert Kerwarth, Klaus Wilbert und Hartmut Orbig, „einfach toll“ gewesen. Martin Bötzow war glücklich, seine Angehörigen zu sehen. André Hulverscheidt liebte die Fahrt in die Berge und konnte bei der Disko richtig abtanzen. Und für Vera Remy und Olaf Manigold war beim Austauschbesuch einfach „Alles“ am schönsten. Ganz gewiss auch die Übernachtung in einem kleinen Hotel und das leckere gemeinsame Frühstück. An Hand von Fotos und Videoclips kamen bei dem Gespräch immer wieder neue Erlebnisse ins Gedächtnis, darunter der Besuch eines Wohnprojektes in einer ehemaligen Klosteranlage, ein Koch-Workshop in einer Schwestereinrichtung in Saint Galmier und ein festlicher Abend mit Kommunalpolitiker:innen und den Projektpartnern. Die Geschichte des „Maison Perce-Neige“ ist eng mit dem Schauspieler Lino Ventura verbunden, der mit anderen Künstlerkollegen eine Stiftung gegründet hatte, die den Bau der Einrichtung unter der engagierten Beteiligung des vormaligen Bürgermeisters der Stadt, Monsieur Paul, ermöglichte.
Vorfreude auf den Gegenbesuch
„Die Herzlichkeit der Aufnahme und die enorme Gastfreundschaft, die wir bei unserem Besuch erfahren haben, möchten wir natürlich in Hattersheim zurückgeben“, verspricht Nicola Böhm. Der erste Gegenbesuch ist für das kommende Frühjahr geplant. „Dass die Klient:innen Europa auf diese wunderbare Weise persönlich erleben können, kann in unserer Zeit nicht hoch genug geschätzt werden“, sind alle in dem Team überzeugt. (hk)