Wenn ein Bühnen- und Kostümbildner mit 53 Jahren Berufserfahrung auf großen Spielstätten in Europa sagt, dass der Auftrag für die Arche Noah etwas ganz besonderes ist, will das schon etwas heißen. Die Profis nennen das Projekt der Lorenz-Stiftung in Zusammenarbeit mit EVIM eine „Off-Produktion“. Das heißt, alles findet unter ganz anderen Bedingungen statt, als an einer Spielstätte mit stationären Werkstätten. Daher ist dieser Auftrag mit immens viel organisatorischem Aufwand verbunden. Der in Berlin lebende, in Esslingen am Theater beschäftigte und jetzt für die Arche in Wiesbaden kreative Frank Chamier und die in vielen sozialen Projekten engagierte Anja van der Horst arbeiten Hand in Hand.
Das Hofatelier der selbstständigen Unternehmerin in Wiesbaden ist für das Projekt selbst zu einer kleinen Arche geworden. Auf dem Boden liegen sonnenbeschienen die ersten halben Gorillas, auf dem Tisch sind die Küken und Hähne zu erkennen, sechs von neun Löwen sind schon einsatzbereit. Und die Vögel sind paradiesisch schön. Hinzu kommen noch Esel, Pinguine, Elefanten, Giraffen, Pferde, Kängurus und, ja, auch drei Polizeihunde. Fantasie, Geschick, Erfahrung und Spaß an der gemeinsamen Sache – das ist es, was beide Profis verbindet und woraus bezaubernde Kostüme entstehen. Für den Vogelkopf wird zum Beispiel eine einfache Schirmmütze links und rechts konisch beschnitten und rot bemalt – fertig ist die Schnabelform. Die Mütze selbst ist mit kunterbunten, textilen Blüten beklebt. Und die Federn? Dafür schneidet Anja van der Horst ein Baströckchen auf und näht die Teile jeweils rechts und links an die seitlichen Nähte eines schwarzen Langarm-Shirts.
Die Kostüme sind und sollen keine realitätsgetreue Nachbildung sein. „Wir arbeiten nur mit Andeutungen“, sagt Chamier und betont, dass die Tiere durch den künstlerischen Ausdruck der Tänzerinnen und Tänzer Gestalt annehmen. „Es kommt darauf an, wie die Akteure sich bewegen“, ergänzt der Kostümbildner. Er schätzt an diesem Projekt die Gestaltungsfreiheit. „Keiner hat den konkreten Zeitbezug zur Arche Noah, wir wissen nicht, welche Tiere dort waren und wie sie zu jener Zeit aussahen“, erzählt Chamier. Anja van der Horst, die auch auf Nachhaltigkeit Wert legt, konnte bei dem einen oder anderen Modell auch Material wiederverwerten. Sie lobt die Entwürfe ihres Kollegen, „die sehr durchdacht sind“. Beide sagen allerdings auch, dass die Herausforderungen dieses Mammut-Projektes „gewaltig“ sind. Für die Produktion ist wenig Zeit und die dezentrale Arbeit mit ganz unterschiedlichen Gruppen an verschiedenen Orten verlangt von allen alles ab . „Man muss auch improvisieren können und das umsetzen, was möglich und machbar ist.“ Dass Frank Chamier mit dabei ist, geht auf langjährige berufliche Kontakte mit Miguel Zermeno zurück, dem Choreographen und Regisseur der „Arche Noah“. Beide kennen sich seit den neunziger Jahren. Damals war Zermeno Tänzer und Mitglied des Tanztheaters in Bonn, bei dem Chamier als Gast gearbeitet hatte.
Noch ist die Arche Noah auf dem Hof in der Rathausstraße in Biebrich nicht komplett. Chamier und van der Horst arbeiten intensiv an den tierischen Mitreisenden. Die erste Kostümprobe findet am 10. Mai in der Liederbacher Turnhalle statt. Dann schlüpfen die großen und kleinen Akteure in ihre Rolle und lassen die Kostüme lebendig werden.