„Angekommen!“, verkündet die fünfjährige Emilia. Sie sitzt in einer Reihe aus fünf Kindern, die auf einem dünnen Baumstamm reitend auf und ab wippen. Es stellt sich heraus, dass sie sich in ihrer Fantasie auf einer Busreise befindet, die nun an ihrer Haltestelle angekommen ist. Das Quintett der Waldgruppe des Campus Kinderhaus ist mit ihren beiden Erzieherinnen heute zu Gast am Kullerplätzchen. So nennen die Kinder der Waldkindergruppe Schäferwiese einen ihrer Lieblingsorte am Hang des Schläferskopfes. Bei extremer Kälte oder Sturm haben alle vier Wiesbadener Einrichtungen, die Kinder im Wald betreuen, eine Möglichkeit sich auch mal aus der Natur zurück zu ziehen. Die Waldgruppe des Campus Kinderhauses startet den Tag in ihrem Garten an der Reithalle in Alt-Klarenthal, wo demnächst ein größerer Unterstand entstehen soll und erforscht von da aus Pferdekoppeln, die Auenwiesen am Bach oder läuft, wie an diesem Tag, auch mal bis zum Eingang des Schläferskopfstollens. „In der Montessori-Pädagogik legt man Wert auf eine vorbereitete Umgebung. Die Natur ist die perfekteste vorbereitete Umgebung, die es gibt“, erläutert Erzieherin Catina Hausmann, warum sich hier Montessori- und Naturpädagogik perfekt miteinander verbinden lassen.
Im Freien reifen
Von den Vorteilen des natürlichen Erlebnisraums sind alle Beteiligten überzeugt. „Man kann als Kind viel mehr entdecken. Das ist einfach spannender“, findet Ullrich Kinzer, Vorstand der Elterninitiative Zappelphilipp, der dort als Kind Erfahrungen aus erster Hand gesammelt hat. „Die Themen kommen aus dem Jahreslauf der Natur und von den Kindern selbst“, berichtet Erzieherin Helga Kobella von der Waldkindergruppe Schäferwiese. Das Beerdigen kleiner Tierchen führe zur Auseinandersetzung mit Aspekten wie Tod und Seele. Manchmal werde aber auch aus einem passenden Stück Rinde ein aufklappbares Mobiltelefon. „Die Kinder müssen immer wieder Absprachen eingehen. Ein Baumstumpf, der gestern eine Küche war, ist heute eine Rakete“, verdeutlicht Heide Schleider, Erzieherin bei Zappelphilipp. Auf diese Weise werde auch die Teamfähigkeit gestärkt.
Vorbereitet für die Schule
Regelmäßig bekomme man aus den Grundschulen zurückgemeldet, dass die ehemaligen Waldkindergarten-Kinder sich gut fokussieren können. Darüber hinaus seien sie sportlich und gelenkig und verfügten über ein tiefes Verständnis der natürlichen Zusammenhänge. Die Unfallgefahr sei dabei nicht größer als in den Räumen einer Kindertagesstätte. „Es gibt wenige, klare Regeln. Zum Beispiel wird nicht mit dem Stock in der Hand gerannt“, betont Marlene Franz von der Waldkindergruppe Schäferwiese. Erfahrungen, die bei jeder Witterung gemacht werden. „Jedes Wetter hat seine Besonderheiten. Die Kinder lieben Matsch und Pfützen“, berichtet Catina Hausmann. Auch den Erwachsenen tut der Aufenthalt im Freien gut. So hat der Wanderkindergarten nach mehr als fünfzig Jahren erst die dritte Leiterin und die beiden Erzieherinnen bei Zappelphilipp arbeiten bereits seit fast zwanzig Jahren im Team.(Hendrik Jung)
Foto (EVIM/H. Jung): In diesem Bus findet garantiert jeder einen Platz. Die Kinder der Waldgruppe vom Campus Kinderhaus sind in ihrer Fantasie auf dem Weg zur nächsten Haltestelle.