Bis zum 25. April ist hier die große Vielfalt der beiden EVIM-Kunstwerkstätten zu besichtigen: „Offenes Atelier“, wo Julia Isterling wirkt, sowie „Mal_anders“, wo Artjom Chepovetskyy mit seiner Gruppe arbeitet. Die Kunstateliers gehören zu EVIM Teilhabe. Ein Angebot, künstlerisch tätig zu werden – ob in den Sparten Bildender oder Darstellender Kunst – ist bei EVIM schon lange ein Merkmal der Arbeit mit beeinträchtigten Menschen. Sie können sich ausdrücken, auf der Leinwand oder auf der Bühne. Und sie können sich mit ihren Talenten und Fähigkeiten zeigen, ob bei großen Aufführungen oder in Ausstellungen. Für die beiden Kunstateliers, eines in der Karlstraße, eines im Eigenheim-Viertel, ist es die erste Gemeinschaftsausstellung.
Bei der Vernissage am 3. Februar waren viele der Künstler und Künstlerinnen anwesend, und schon kurz nach Beginn musste Julia Isterling die berühmten „roten Punkte“ holen: So ist es bei Ausstellungen Brauch, wenn ein Bild verkauft wird, aber noch bis zum Schluss der Schau an der Wand hängt. Dann wird ein roter Punkt neben die Signatur geklebt. Die Schöpferin des gehäkelten Flusskrebses ist Julia Collet. Sie sitzt in einem knallroten Kleid und einer selbst angefertigten, spektakulären Halskette am Tisch und freut sich, dass sie von ihrer Kunst erzählen kann. Auf den Dienstagstermin bei Julia Isterling wartet sie alle 14 Tage. „Das macht immer richtig Spaß“, erzählt Julia Collet. Schon seit 2019 besucht sie das Kunstatelier. Dort, erklärt Julia Isterling, wird nichts vorgegeben, aber jede Menge Material bereitgehalten. „Erst mal gibt es einen Kaffee und dann fangen alle schon an, etwas zu machen.“
Vier Stunden dauert so ein Nachmittag. Und wenn auf eine Ausstellung hingearbeitet wird, sei das immer ein schönes Ziel. Das bestätigt auch Artjom Chepovetskyy, der in einem kleinen Pavillon mit seiner Gruppe arbeitet. Daraus ist zum Beispiel die bekannte Künstlerin Heidi Lose hervorgegangen, deren ausdrucks- und farbstarke Frauenporträts auch in der Wiesbadener Artothek vertreten sind. Die Künstlerinnen und Künstler, die hier arbeiten, haben zwar verschiedene Beeinträchtigungen, eine ist sogar nahezu blind. Doch wenn sie ihre Kunst herstellen, spielt das alles keine Rolle. Sie können ihre Stärken, ihre Kreativität zur Geltung bringen. „Wir möchten auch, dass eine gewisse Entwicklung stattfindet“, sagt Artjom Chepovetskyy – meist passiert das ganz von selbst. Viele bleiben auch lange dabei, obwohl in den Ateliers natürlich auch Fluktuation an der Tagesordnung ist. Doch der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen wird ebenso wie das kreative Schaffen von allen sehr geschätzt.
Für Geschäftsführer Björn Bätz ist die Kulturarbeit ein unverzichtbarer Baustein des Angebots für die Zielgruppe. Es wird aus den Leistungen der Teilhabe finanziert, aber auch Spenden sind für die einzelnen Projekte willkommen. „Sich ausdrücken und sich damit der Öffentlichkeit präsentieren: Das schafft Stabilität und Selbstbewusstsein“, sagt Bätz. „Das Angebot ist nicht selbstverständlich, gehört für uns aber einfach dazu“ – ob als fortlaufende Projekte oder als einzelne Highlights wie diese Ausstellung, die der „Schwalbe 6“, dem Wiesbadener „Kirchenfenster“, das mitten in der Innenstadt zum Verweilen und einer Tasse Kaffee einlädt, in diesem Frühjahr eine extra bunte Kulisse verleiht. (abp)