Die Ausstellung unter dem Titel „Zwischen Nähe und Distanz“, die gestern in einem exklusiven Preview vor rund 100 Gästen eröffnet wurde, macht Staunen und lässt Aufhorchen. Einerseits in Bezug auf die aufwändige Präsentation der ganz unterschiedlichen Werke, zum anderen in Bezug auf die neue Qualität der Arbeit von Mal_anders. Beispiele dafür sind die jüngsten Arbeiten von Fatou Jassy-Touray, Christian Martiny, Ralf Ullrich und Heidi Lose, die bis Anfang August in dem imposanten Stammhaus der Naspa zu sehen sind. Kurator der Ausstellung ist der künstlerische Leiter der Gruppe Artjom Chepovetskyy. Sein Credo ist, behutsam und genau das künstlerische Potenzial jedes Einzelnen entfalten zu helfen. Er, der selbst vor vier Jahren als Kunststudent an diesem Ort ausstellen durfte, ist für diese Chance allen überaus dankbar, die dies ermöglicht haben. Ganz besonders stolz ist er jedoch auf die Künstlerinnen und Künstler.
Die „Powerfrau“ in der Gruppe, so Chepovetskyy, ist Fatou Jassy-Touray. Ihre serielle Arbeit „Schöne Frau“ umfasst 11 kleinformatige Werke in Mischtechnik auf Holz. Darin zeigt sie eine in dieser Wucht bisher nicht entdeckte Lust am Experimentellen. Sei es die Frau mit ultramarinblauem Haarschopf, kastengrauen Augen und weit geöffnetem Mund oder die Schöne mit rot-schwarzem Kraushaar in einem hellgrünen Federkleid mit blauem Halsband. Die Sicherheit, mit der sie Farben mischt, quase ihr bisheriges „Markenzeichen“, erfährt durch die Expressivität der Bilder eine neue künstlerische Dimension. Wie sie beschäftigt sich ihre Künstlerkollegin Heidi Lose schon sehr lange mit der Darstellung des Weiblichen. Seit fast zwanzig Jahren malt die inzwischen fast blinde gebürtige Wiesbadenerin ausdrucksstarke Frauenportraits. In dieser Ausstellung kommen sie zum Teil grotesk übersteigert daher: ein tiefroter Mund im blassen Gesicht, knallrote Fingernägel an einer fast zur Faust geballten Hand. Oder mit der Anmutung einer Janis Joplin: runde Brille mit hellblauen Gläsern umrahmt von üppig langem Haar. Beide Künstlerinnen gehören mit zu den langjährigen Mitgliedern der heute etwa 11 Malerinnen und Maler umfassenden Gruppe.
Ralf Ullrich ist erst seit kurzer Zeit bei Mal_anders. Chepovetskyy spricht im Zusammenhang mit dessen Schaffen von einem „unglaublichen Durchbruch“ als Künstler. Seine großen abstrakten Werke sind wuchtig, experimentell und farbenfroh. Darin widerspiegelt sich das, was ihn stark beschäftigt: Orte in Wiesbaden wie der Kurpark oder die Großbaustelle am Kureck. Ullrich brauche kaum Anregung oder Hinweise, um seine Themen zu finden und sie künstlerisch umzusetzen, so der Leiter über den talentierten Maler.
Christian Martiny hingegen, dessen Faible für Gesichter seine bisherigen Arbeiten prägte, war bereits an zahlreichen regionalen und überregionalen Ausstellungen beteiligt. Mit Buntstift und Filzstift zeichnete er schier endlose Variationen fröhlicher Gesichter und bezauberte damit sein Publikum. Das darf sich auf eine Überraschung gefasst machen. Seine neuen Werke bilden im Prinzip den Kontrapunkt zu der Malerei an den Wänden, die auf den ersten Blick die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Wer die filigranen Bilder von Christian Martiny sehen möchte, steht zunächst vor einem raumgreifenden Holzcontainer. Gucklöcher ermöglichen einen Blick in das Innere auf seine Werke. Der Betrachter schaut auf maskenartige Gebilde, die die Phantasie beflügeln und an Kultwesen und Schamane denken lassen. Die bisherige Gewissheit im Werk des Künstlers weicht einem Aufbruch zu neuen Ufern. Wer möchte, kann zum Betrachten auch die Endoskop-Kameras benutzen, mittels derer der Blick auf die Werke eine Assoziation zu dem Motto der Ausstellung anregt. Nähe und Distanz, das ist nicht nur ganz pragmatisch an dieser aufwändigen Installation erfahrbar, sondern auch in Bezug auf die Art-Brut-Kunst und ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit.
EVIM Vorstand Matthias Loyal zeigte sich von der Malerei als Kunstform beeindruckt, die aus seiner Sicht wie kaum eine andere Einblicke in das Seelenleben von Menschen gibt. In dieser Ausstellung gehe es allerdings nicht um „besondere Kunst“, sondern um Kunst an sich. Der Naspa sei er auch dafür besonders dankbar, dass sie die Einladung zu einer so „selbstverständlichen“ Betrachtung ermöglicht.
Ausstellungszeitraum: 14. April – 3. August 2018,
Ausstellungsort: Nassauische Sparkasse, Rheinstraße 42-46
Öffnungszeiten: Mo, Do - 9 Uhr – 18 Uhr
Di, Mi, Fr – 9 Uhr – 16 Uhr
Foto (EVIM/S. Krauter):Viele Gäste waren von den großformatigen, abstrakten Werken von Ralf Ullrich begeistert. Der Künstler ist im Bild rechts neben Eugen Krauter, Prokurist der EVIM Behindertenhilfe. Im Vordergrund rechts ist Fatou Jassy-Touray mit einer Besucherin im Gespräch.