Gerade entlässt er einen Jugendlichen, den er über ein Jahr lang betreut hat, ins Leben. Künftig wird er sich nur noch einige wenige Stunden pro Woche um den jungen Mann kümmern, der gerade erfolgreich seinen Hauptschulabschluss absolviert und eine Ausbildungsstelle gefunden hat – im Handwerk.
Michael Paul kommt aus einem kleinen Ort in der Nähe von Bad Kreuznach. Sein erster Ausbildungsberuf war Metzger. In diesem arbeitete er einige Jahre, am Heimatort und auch ein Jahr im Schwarzwald. Als er von dort zurückkehrte, fand er Arbeit in einem Großschlachthof – ohne Aussicht, wieder in einem kleineren Betrieb arbeiten zu können. „Ich hatte zwar nicht direkt was mit der Schlachtung zu tun, aber musste täglich um vier Uhr anfangen, die Waren auszuliefern – auch samstags. Da war für mich undenkbar, dass ich dies als Familienvater weitermachen könnte“, sagt Paul, der mittlerweile seine Frau kennen gelernt hatte. Diese steckte mitten in der Ausbildung – „also dachte ich, ich mach auch nochmal was Neues“, sagt Paul, der dann – „ich bin ein Frischluft-Fanatiker“ – eine Lehre als Dachdecker begann.
Eine Entscheidung, die das Leben veränderte
Auf den Dächern arbeitete er zwölf Jahre, dann zwang ihn ein Bandscheibenvorfall „zu Boden“. In der folgenden langen Rehabilitation musste er überlegen, wie es weiter gehen könnte. Die Berater wollten ihm Bürojobs in der Baubranche empfehlen, das schien ihm aber nicht das Richtige. „Dann hörte ich vom Beruf „Arbeitspädagoge“, erzählt Paul. „Ich wusste nicht, was das war. Mir wurde erklärt, dass man da mit beeinträchtigten Menschen arbeiten kann. Das hat mich auf Anhieb gereizt.“ Also ließ er sich entsprechend umschulen, „das war wirklich eine perfekte Vorbereitung“, erinnert er sich. Mittlerweile war Michael Paul zweifacher Vater, „es war ein bisschen schwierig, die Ausbildung war in einem Internat, aber meine Frau hat mich super unterstützt. Die Ausbildung hat wirklich mein Denken verändert, wie man auf Menschen zu geht, über sie denkt, mit ihnen reden kann.“
Mut zu unkonventionellen Angeboten in der Intensivpädagogik
Zwei Jahre arbeitete Paul bei der Lebenshilfe Bad Kreuznach mit Jugendlichen, die Familie wuchs erneut um ein drittes Kind. Dann lief sein Vertrag aus. „Meine Schwiegermutter hatte ein Inserat von EVIM gesehen für ein Projekt in Sponheim. Dort wurde ein Pädagoge gesucht, der auch mit den Jugendlichen gemeinsam im Haus wohnt. Das war nicht ganz das Passende. Trotzdem habe ich mich beworben. Als ich dort die Holzwerkstatt und den Dienst-Traktor sah, war mir klar: Das ist es!“ sagt der „geborene Handwerker“ Michael Paul. Da konnte er nämlich wieder richtig zupacken. Er wurde beim Projekt „einfach leben“ angestellt, betreute dann bald nur noch einen Jugendlichen mit besonderem Bedarf. „Niemand war bereit, sich auf ihn einzulassen. Ich wollte es versuchen. Ich gehe offen auf alle Menschen zu.“ Dieser Junge habe eine schlimme Vorgeschichte mitgebracht. Paul reiste und wanderte mit ihm, „man kam schlecht an ihn ran. Bis ich eine Idee hatte: Wir gehen in den Wald, Holz hacken.“ Paul kannte Förster, wusste mit Motorsägen und anderen Holzwerkzeugen umzugehen. Das war das Richtige: Gemeinsam auspowern, ohne viel reden zu müssen. „Die Betreuung wurde hochgefahren, die Stunden erweitert, wir merkten langsam, dass wir mit ihm Fortschritte machen.“ Man habe gemeinsam am Lagerfeuer gesessen, „da fing er an zu reden. Ich bin Christ, er Muslim, mein Kollege Atheist, das ergab super interessante Gespräche.“ Auch beschulen konnten die Pädagogen den Jungen – so, dass er eben nun zum Hauptschulabschluss geführt werden konnte. „In Mathe hat er sogar eine Eins. Das hätte ich nie gedacht. Er hat dann voll Gas gegeben“, freut sich Paul.
Nun geht es auf neuen Wegen weiter. Eine interne Stellenanzeige für eine Wohngruppe hat ihn davon überzeugt, einen anderen Weg bei EVIM einzuschlagen. Auch dort möchte er von ganzem Herzen für die Kinder und die Jugendlichen da sein. Michael Paul wird dabei bleiben. „Ich habe extrem viel Spaß bei der Arbeit. Habe mich noch nie so wohl gefühlt. EVIM ist ein prima Arbeitgeber. Meine Frau unterstützt mich, und ich rede viel mit ihr über meine Arbeit“, sagt der 40-Jährige. „Hier sehe ich meine Zukunft.“
von Anja Baumgart-Pietsch
Foto: (privat)