Und sie werden fit fürs Leben gemacht, „verselbstständigt“, heißt das offiziell. In einer WG „in einem Haus mit ganz normalen Wohnungen“, sagt Taheri, leben sie zusammen und werden betreut, bis sie eine eigene Wohnung beziehen können. Die Gruppe, erzählt die Pädagogin, wurde 2015 im Rahmen der Flüchtlingswelle eröffnet, um unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten eine Heimat zu geben. Mittlerweile betreue man nur noch wenige Geflüchtete, sondern alle Jugendlichen, die Hilfe brauchen. Insgesamt sind neun Plätze in der Gruppe – im Wohnhaus gemeinsam und auch schon einige in „Außenbetreuung“. Es ist keine Rund-um-die Uhr-Betreuung, sondern nur tagsüber. „Aber ich lasse mein Handy oft auch an“, sagt Azar Taheri, die sich sehr mit ihrer Arbeit identifiziert.
Werte fürs Leben
Die Sozialpädagogin stammt aus dem Iran. Ihre Eltern waren politische Oppositionelle und daher Verfolgung ausgesetzt. Die Familie nahm für ihr politisches Engagement viel in Kauf. Taheri hatte eine sehr bewegte Kindheit in verschiedenen Ländern Europas und im Irak; schlussendlich landete sie getrennt von ihren Eltern, die sich weiterhin dem politischen Kampf verschrieben hatten, im Alter von neun Jahren bei ihrer Tante in Wiesbaden und wuchs dort auf. Für sie war es weiterhin selbstverständlich, als Teil einer großen persischen internationalen Gemeinschaft politisch aktiv zu werden und bis heute zu bleiben. „Einer Gemeinschaft von Menschen, die mit Solidarität und humanistischen Werten den Willen, die Ausdauer und die Hoffnung haben, gemeinsam eine Veränderung zu erwirken, damit die Menschen im Iran eine menschenwürdige und gerechte Zukunft erleben werden.“, sagt Fachbereichsleiter Klaus Friedrich. „Azars Arbeit in der Flex Mombach basiert auf eben diesen Werten und damit schafft sie einen sicheren Ort für die Jugendlichen, an dem sie sich entwickeln und wachsen.“ Das ist der engagierten Sozialpädagogin auch wichtig. Sie studierte in Mainz Sozialpädagogik, Soziologie und Germanistik und erwarb einen Magisterabschluss. „Das damals noch nicht so durchstrukturierte Studium gab mir auch Raum für meine politische Arbeit. Deswegen dauerte es etwas länger.“
Seit dem Studium eng mit EVIM verbunden
Schon als studentische Honorarkraft fand sie den Weg zu EVIM: Als Mitarbeiterin in der „ambulanten Hilfe“ für Schulkinder. Sie begleitete Erstklässler:innen mit Lernproblemen in der Schule als Integrationshelferin im Rahmen eines noch heute bestehenden Spendenprojekts. „Das hat mir unglaublich viel Spaß gemacht“, erinnert sie sich. Sie ging mit in den Unterricht, beobachtete die Schwächen und Probleme der Kinder und half ihnen. Ziel war die Herstellung von Chancengleichheit. In der Schule hat sie lange als Honorarkraft gearbeitet, bevor sie dann 2016 hauptamtlich zu EVIM kam und in der „Flex Mombach“ zu arbeiten begann. Mit den betreuten Jugendlichen entstehen sehr persönliche Beziehungen, berichtet sie. Jede und jeder erhält individuelle Betreuung, das kann die Suche nach Ausbildungs- und Arbeitsplätzen genauso wie Wohnungssuche sein, aber auch Freizeitgestaltung und andere Förderung. Und vor allem: Füreinander da sein, eine stabile Basis zum Erwachsenwerden anbieten. Die Betreuung ist ressourcenorientiert und persönlich, für alle gibt es eigene Ziele, an deren Erreichung gemeinsam gearbeitet wird.
Arbeit auf Augenhöhe
Azar Taheri liebt ihren Job, fühlt sich gut gefördert und als Teil eines stabilen Teams. „Ich habe hier großes Glück gehabt“, sagt sie. „Wir arbeiten mit gegenseitigem Respekt, großem Vertrauen und absolut auf Augenhöhe miteinander.“ 2018 übernahm sie die Teamleitung. Auch das ein Vertrauensbeweis für die junge Frau, die hier ihre Berufung gefunden hat – hier und in der politischen Tätigkeit für ihr Geburtsland, der sie sich ebenfalls weiterhin engagiert verschrieben hat.
von Anja Baumgart-Pietsch
Foto (privat)