In dem unscheinbaren, einfachen Wohnhaus an der Erich-Ollenhauer-Straße leben seit März sieben neue Bewohnerinnen und Bewohner im Alter zwischen 18 und 23 Jahren. Sie alle waren wohnungslos, von Wohnungslosigkeit bedroht oder lebten auf der Straße. Ihr Weg aus panischer Angst, Hoffnungslosigkeit und schierer Verzweiflung führte sie zuerst zu upstairs. Dort, im bunten Wohnmobil in der Nähe des Hauptbahnhofes in Wiesbaden, wurde ihnen Hilfe angeboten, etwas zu essen, eine Schlafgelegenheit, warme Kleidung und Menschen, die ihnen zuhörten und auf deren Begleitung sie sich Schritt für Schritt einlassen konnten und wollten. „Junge Erwachsene bis 27 Jahre haben es durch ein kompliziertes Regelwerk extrem schwer, um wieder eine dauerhafte Perspektive für ihr Leben entwickeln zu können“, sagt Truc-Quynh Vo, die das rein spendenfinanzierte Projekt upstairs von EVIM leitet, das sich als Bindeglied zwischen Jugendhilfe und Wohnungslosenhilfe versteht. Die größte Hürde, die es für die Eingliederung in alle weiteren Hilfen zu überspringen gilt, ist die feste Meldeadresse als Zugangsvoraussetzung für Wohnung und Job, ganz abgesehen davon, überhaupt bezahlbaren Wohnraum zu finden. „Wenn diese fehlt, ist es praktisch unmöglich, von allein wieder auf die Beine zu kommen“, weiß die Fachexpertin aus unzähligen Biografien zu berichten. Upstairs kann zumindest Schlafgelegenheiten vermitteln, im Sommer mit einem Zelt-Package, im Winter im Hotel Ambrosius, das Übernachtungen großzügig mit Spenden unterstützt. Daher ist das jetzt eröffnete Safehouse ein „Riesenschritt nach vorn“, freut sich Truc-Quynh Vo (Foto), denn es stellt jungen Erwachsenen bedingungslos und unbürokratisch Wohnraum zur Verfügung. Das Projekt wird über das ESF Plus-Bundesprogramm JUGEND STÄRKEN gefördert. „Antragsteller ist die Stadt Wiesbaden, die sozusagen die Lotsenfunktion übernimmt. EVIM ist ausführender Projektpartner“, ergänzt Patrick Lahr (Foto), Regionalleiter der EVIM Jugendhilfe.
Ein verbindlicher und sicherer Ort
Der Weg in das Safehouse führt über upstairs. Hier werden die Voraussetzungen geprüft, ob die jungen Erwachsenen den Schritt in ein eigenständiges Leben gehen können. „Das Safehouse ist keine Anlaufstelle, zu der jeder kommen kann, und auch kein stationäres Betreuungsangebot der Jugendhilfe“, stellen die Fachexpert:innen klar. Die Bewohner:innen organisieren weitgehend eigenständig ihren Alltag mit allem, was dazu gehört. Es gibt eine Gemeinschaftsküche, ein Wohnzimmer und auf jeder der beiden Etagen ein Bad. Die sehr einfache Ausstattung ermöglichten Sachspenden aus dem Fachbereich. Das upstairs/Safehouse-Team unterstützt und begleitet nur punktuell, zumeist bei Antragsstellungen. „Safehouse ist ein sicherer Ort mit einem guten Umfeld, zentrumsnah und verkehrstechnisch sehr gut angebunden“, freut sich Truc-Quynh Vo und auch darüber, dass upstairs nun erstmals seit 22 Jahren über ein Büro verfügt.
„Es läuft richtig gut“
Die ersten Erfahrungen zeigen, dass das „echte Experiment Wohngemeinschaft“ gelingen kann. „Dafür, dass die Jugendlichen noch nie allein gewohnt haben, machen die das richtig gut“, lobt Truc-Quynh Vo. Der Aufenthalt im Safehouse kann längstens 18 Monate dauern. In dieser Zeit soll es gelingen, echte Zukunftsperspektiven zu entwickeln. „Die Menschen, die hier wohnen, haben den Willen, sich zu verändern“, ist Patrick Lahr sicher. Doch das braucht Zeit, denn die Fälle sind sehr komplex. Das kann zunächst die Aufnahme in eine Klinik sein, um sich weiter zu festigen. Das kann die Jobsuche sein, die durch die Meldeadresse jetzt möglich ist, ebenso wie die Wohnungssuche. Das kann der Abbau von Krankenkassenschulden sein, in die viele durch Unkenntnis der Gesetze hineingeschlittert sind.
Toll findet Truc-Quynh Vo, wie sich die Bewohner:innen gegenseitig unterstützen und nächste Ziele haben: zum Beispiel den kleinen Garten schön zu machen. Das ist besonders eindrücklich, da allen bewusst ist, im Safehouse nur begrenzte Zeit wohnen zu können. „Sie wissen, welche Möglichkeit ihnen hier für die Dauer von anderthalb Jahren eröffnet wird“, sagt Patrick Lahr. Diese in Wiesbaden für sie einzigartige Chance, autonom zu werden, wollen die jungen Erwachsenen unbedingt nutzen. (hk)