„Menschen mit Behinderungen musizieren experimentell auf selbstgebauten Instrumenten.“ Diese Herausforderung hat sich Maximilian Petsch ausgesucht, um sein Jahrespraktikum im Rahmen seiner Ausbildung zum Erzieher zu absolvieren. Für dieses anspruchsvolle Thema hat der 25-Jährige aus Bad Kreuznach im Wohnpflegehaus der EVIM Gemeinnützige Behindertenhilfe GmbH einen passenden Kooperationspartner gefunden.
Das Wohnpflegehaus, eine Einrichtung für Menschen mit körperlichen Behinderungen, ist seit mehr als zehn Jahren vielfach mit Theaterproduktionen in der Öffentlichkeit aufgetreten und integriert auch andere künstlerische Ausdrucksformen in seiner Arbeit. Der Anspruch des Trägers, dass kreative Arbeit nicht ‚Projektarbeit‘, sondern ‚Prozessarbeit‘ ist, bot Petsch Raum für die Umsetzung seiner Idee.
Gemeinsam mit vier Bewohnern, die zum Teil selbst als Musiker in Amateurbands spielen, sammelte er Ideen für Instrumente. Dabei ließen sich Etienne Glaster, Wenzel Friebe, Björn Schnabel und Tobias Morillas-Alvarez von der experimentell arbeitenden amerikanischen Musikszene inspirieren. Die Klienten wählten jeweils zwei Instrumente aus und bauten sie mit so wenig Assistenzbedarf wie möglich. Dabei lernten sie auch erstmals den Umgang mit Stichsäge und Bohrmaschine. „Fertigkeiten lernen, die im Alltag zu kurz kommen, Kompetenzen nutzen und Ressourcen ausbauen“, so beschreibt Petsch einige wichtige Ergebnisse seines Projekts.
Entstanden sind Musikinstrumente wie das ‚Fahrradspeichenklavier‘ oder eine Bluesgitarre aus einfachen Materialien. Für die Bluesgitarre dient ein Brett aus dem Baumarkt als Hals. Der Korpus ist eine stabile Kiste. Ein kleines, leeres Marmeladenglas fungiert als Steg, über den zwei Saiten gespannt wurden. Zwischen Steg und Hals sitzt der Tonabnehmer. Wenn Etienne Glaster die Saiten anspielt, erklingt über den Verstärker ein satter Sound. Er ist nicht nur stolz auf das Instrument, sondern freut sich auch darüber, mit der Bohrmaschine gearbeitet zu haben. Auch für Tobias Morillas-Alvarez war die Arbeit mit der Stichsäge etwas ganz neues. Um sägen zu können, musste er das Werkzeug nah am Körper halten. Schmunzelnd erinnerte er sich, dass ‘das riskant gewesen sei‘. Aber es funktionierte!
In der finalen Phase des Projektes ging es um das Musizieren – allein oder in der Gruppe. „Musik bietet die Chance, sich ohne Umweg über die Sprache, die oft als störend empfunden wird, auszudrücken“, so Petsch. Renate Pfautsch, Geschäftsführerin der EVIM Behindertenhilfe, würdigte den kreativen Arbeitsprozess: „Die Ergebnisse dieses außergewöhnlichen Jahrespraktikums haben uns alle sehr beeindruckt!“ Die Instrumente haben Potenzial, auch in der vielfältigen Kulturarbeit der EVIM Behindertenhilfe zum Einsatz zu kommen. Oder dienen dazu, individuell zu musizieren. Etienne Glaster zum Beispiel ließ mit Hilfe von Holzstäben das Glockenspiel aus Blumentöpfen ertönen und lauschte innig. Immer wieder probierte er neue Melodiefolgen aus, zauberte Klangteppiche. Musik – Sprache der Seele.
Foto (v.l.n.r.): Björn Schnabel, Maximilian Petsch (Projektleiter), Etienne Glaster und Tobias Morillas-Alvarez probieren die selbstgebauten Instrumente aus.