Dieser Abschied war kein gewöhnlicher. Das machte auch Pfarrer Matthias Loyal in seiner launigen Ansprache deutlich: Er könne sich nicht daran erinnern, dass der Vorstand zu zweit bei der Verabschiedung einer Leitungskraft aufgetaucht sei. Das habe einen guten Grund, denn Sabine Tögel verkörpert das, was für EVIM sehr wichtig ist. „Frau EVIM Westerwald“, so der Vorstandsvorsitzende habe vor Ideen und Tatkraft gesprudelt, auch wenn manche davon durch das Sieb gefallen seien. „Aber was im Sieb blieb, hat uns vorangebracht“, so Matthias Loyal, der anerkennend in Richtung der Mitarbeiter hinzufügte: „Das, was sie hier organisiert haben, spricht Bände.“ Ilka Müller, stellvertretende Geschäftsführerin der EVIM Altenhilfe, würdigte die zahlreichen Angebote und Projekte, die Sabine Tögel auf den Weg gebracht hat, darunter die Gründung von EVIM Ambulant Westerburg inklusive Beratungs- und Koordinierungsstellen, die Spezialisierte Ambulante Palliativ-Versorgung (SAPV), die Brückenpflege als stiftungsgefördertes Projekt, die Hospizinitiative und die Tagespflege am Steinsberg in Rennerod. Daraufhin meldete sich Sabine Tögel zu Wort, die etwas „richtigstellen“ müsse: „Ohne all jene, die mich begleitet und unterstützt haben, wäre das nicht gegangen.“ Sie dankte dem Verein, der sie auch machen gelassen habe, was nicht selbstverständlich oder allein der Entfernung zwischen Wiesbaden und Rennerod geschuldet sei, meinte sie mit dem für sie so typischen Humor. Namentlich erwähnte sie auch die Else Schütz Stiftung, die die Arbeit wirksam unterstützt habe.
Im Dienst der Menschlichkeit
Die enorme Wertschätzung der Mitarbeiter zeigte sich in einem wunderbaren Fest, das das 65-köpfige Team seiner Chefin mit ganz viel Liebe zum Detail geschenkt hat. Etwa 80 Gäste kamen bei bestem Wetter in die Steilgasse 3, darunter Weggefährten, Ehemalige und Mitarbeitende. Pfarrer i.R. Eckehard Brandt überreichte Sabine Tögel eine kleine weiße Engelsfigur: „Für viele bist Du ein Engel gewesen.“ Hilfsbereit, mit offenem Herzen und nah bei den Menschen. Mit einem Lachen, das zu hören gewesen ist, auch wenn der Mensch noch gar nicht zu sehen war, sagte der langjährige Weggefährte. Für Eva Maria Dräger war dieser Anlass mit vielen Emotionen verbunden. Die 36-jährige Pflegedienstleiterin und Palliative Care Fachkraft tritt die Nachfolge von Sabine Tögel an und kommt aus den eigenen Reihen. Für sie war ihre Vorgesetzte stets „eine Art Mutter, Freundin, Mentorin“, die immer den Menschen in den Mittelpunkt gestellt habe. Durch ihre Geduld, Fürsorge und Kraft sei das ganze Team gewachsen. Daher ist es ihr ein besonderes Anliegen, den wertschätzenden Umgang miteinander fortzuführen und die vielfältigen Angebote zu erhalten.
SAPV aufgebaut
Dr. Michael Blees, Leitender Palliativmediziner, stellte die enorme Wirksamkeit von Sabine Tögel für die SAPV heraus. Mit großartigem – vielfach ehrenamtlichen - Einsatz und überzeugt davon, das zu tun, was die Menschlichkeit erfordere, haben sie und Susanne Schönberger die SAPV im nördlichen Rheinland-Pfalz aufgebaut. Mit ergreifenden Worten erinnerte er an die gemeinsame Arbeit: „Du bist diejenige gewesen, die mir den ersten Satz des Grundgesetzes - dass die Würde des Menschen über den Tod hinaus unantastbar ist - verständlich gemacht hat.“ Durch ihren Einsatz habe sie indirekt das Palliativgesetz mit auf den Weg gebracht. „Vorbildhaft“ sagte auch Dr. Peter Kemme, Palliativmediziner über die Weggefährtin: „Sabine Tögel hatte sich nie in den Vordergrund gestellt. Sie setzte auf einfache, pragmatische Lösungen und scheute zusammen mit Frau Schönberger keinen Rechtsstreit für das, wovon sie überzeugt waren.“ Das gehe nur mit einer starken Organisation wie EVIM im Rücken, die genauso wichtig wie die Arbeit vor Ort sei. Für dieses Vertrauen sei er sehr dankbar. Heike Verhoeven würdigte als Mitarbeitervertretung den Einsatz von Sabine Tögel, die das Potenzial der Mitarbeiter gefördert und ihnen neue berufliche Perspektiven gegeben habe.
Die Engelsfigur sowie ein Windlicht und die „Anleitung zum guten Leben“ als Geschenk des Vorstands haben Platz in dem Wohnmobil, mit dem Sabine Tögel und ihr Mann den Weg Richtung Italien ansteuern werden. Wenn die Krokusse im heimischen Garten wieder blühen, werden sie sich auf den Heimweg machen. Loszulassen, das gelänge ihr, aber nicht mehr Teil von etwas zu sein, könne Sabine Tögel sich noch nicht vorstellen.(hk)