Zaky und Shahab wissen, worauf sie sich einlassen: Es wird nicht einfach, was die beiden Flüchtlinge im kommenden Jahr erwartet. Aber der 18jährige Somalier und der 22jährige Afghane sind hochmotiviert: Sie sind Teilnehmer eines neuen Projekts von EVIM, das den Erwerb des Hauptschulabschlusses und praktische Erfahrungen im Rahmen des Freiwilligendienstes kombiniert.
Dafür stehen 20 Plätze zur Verfügung, die derzeit von 17 Männern und drei Frauen zwischen 17 und 32 Jahren belegt sind. Sie kommen aus Afghanistan, Äthiopien, Eritrea, dem Irak, Pakistan, Rumänien und Somalia. Sorgfältige Auswahlgespräche gingen voraus. Denn was man sich von diesem Projekt langfristig erhofft, ist im Idealfall, dass sich die 20 Teilnehmer im Anschluss für eine Ausbildung in der Altenpflege entscheiden. Doch es ist wichtig, die Entscheidung für diesen herausfordernden Beruf auf einer guten Grundlage zu treffen. Deswegen werden bei diesem “HauF” genannten Projekt – die Abkürzung für Hauptschulabschluss/Freiwilligendienst - Praxis und Theorie sinnvoll vereint. Die Idee zu dem Anfang April gestarteten Projekt hatte Dr. Karin Falkenstein, bei EVIM zuständig für Freiwilliges Engagement. Beispielsweise über das “Be Welcome”-Patenprogramm hat man hier vielfache Erfahrungen in der Arbeit mit geflüchteten Menschen.
Unterricht an der Abend-Hauptschule
Seit Anfang April bereiten sich nun die ausgewählten jungen Leute auf die Aufnahmeprüfung an der Abendhauptschule, angesiedelt an der Wiesbadener Heinrich-von-Kleist-Schule, vor. Deren Rektorin Helena Päßler war ebenfalls davon überzeugt, dass sich hier gute Erfolge erzielen lassen. “Wer die Abendschule besucht, macht dies freiwillig. Und wenn es danach auch bereits eine verbindliche Zusage für einen Ausbildungsplatz gibt, ist die Motivation noch einmal viel höher”, weiß die Rektorin aus Erfahrung. Ausbildungsplätze an der Akademie für Pflege- und Sozialberufe der Mission Leben gGmbH sind für die, die den Hauptschulabschluss 2018 bestehen, vorgesehen. Diese Kombination überzeugte auch die Stadt Wiesbaden als Partner des Projekts. Mit rund 200.000 Euro aus dem städtischen Integrationsfonds will die Stadt die nächsten drei Jahre fördern, so Bürgermeister Arno Goßmann. Integrationsdezernent Axel Imholz sieht dieses Geld sinnvoll investiert: “Am Anfang steht die Hilfe für die geflüchteten Menschen. Am Ende steht ein Gewinn für unsere Stadtgesellschaft”. Denn in der Altenpflege wird qualifiziertes Personal dringend gebraucht.
Modulares Konzept
Das Projekt besteht aus drei Phasen: Einer zweimonatigen Prüfungsvorbereitung, die von sieben ehrenamtlichen Lehrern begleitet wird, darunter ist auch ein afghanischer Mathematiklehrer. Ende Mai findet die Aufnahmeprüfung in Deutsch, Mathe und Englisch statt. Wer sie besteht, erhält noch einmal zwei Monate intensiven Deutschunterricht, bevor dann am 1. August das Schuljahr startet. Der Plan umfasst dann zwanzig Unterrichtsstunden an der Kleist-Schule am Nachmittag und 12 Stunden Freiwilligendienst in einer Altenhilfeeinrichtung – nicht nur bei EVIM. Diese Stundenanzahl entspricht dem wenig bekannten Programm “Freiwilligendienst aller Generationen”. Auch die regelmäßigen Weiterbildungstreffen, die zum Freiwilligendienst gehören, erhalten die Teilnehmer und dazu eine persönliche pädagogische Betreuung durch EVIM Mitarbeiterin Carolin Albert. Ist im Juni 2018 dann die Prüfung bestanden und die endgültige Berufsentscheidung gefällt, können die Absolventen im September die Ausbildung zum Altenpflegehelfer aufnehmen.
Praktische Erfahrungen sammeln
Shahab Noori, der jetzt mit seiner Frau – die sich bereits selbst für eine Ausbildung in der Pflege interessiert – und zwei Kindern in einer Wohnung in Wiesbaden lebt, war in Afghanistan Mechaniker. Er hat es binnen sechs Monaten auf B2-Sprachniveau geschafft. Bereits vor dem Projekt leistete er freiwillig Dienst im Johann-Hinrich-Wichern-Stift und berichtet, dass ihm die Arbeit mit den alten Menschen viel Spaß macht. “Manche brauchen einfach jemanden zum Reden”, sagt er. “Es gibt für über 30 Bewohner nur drei Pfleger in den Wohnbereichen, sie haben nicht immer genug Zeit, um allen zuzuhören. Das mache ich gerne.” Auch Zaky Bouh Diriye hat Lust auf diese Ausbildung. Im ersten Anlauf hat der junge Somalier den Hauptschulabschluss nicht geschafft. “Ich will es jetzt nochmal probieren und gute Noten bekommen”, sagt Zaky. “Dann möchte ich mit Menschen arbeiten und nicht mit Maschinen”. Der 18jährige hatte bisher noch keine Chance auf eine Ausbildung. Er verbrachte vor der Flucht nach Deutschland einige Jahre in Äthiopien. “Ich habe dort nur kleine Jobs gemacht”, sagt er schüchtern. “Ich möchte aber lernen.” Die Altenpflegeausbildung soll aber nur aufnehmen, wer es wirklich mit Herzblut macht, sagt Karin Falkenstein. “Wir wissen, dass sich dieser Beruf nicht für alle eignet. Aber gerade deswegen kann man ja aufgrund der breiten praktischen Erfahrungen eine gut informierte Entscheidung treffen.” Und wenn von den geflüchteten Menschen jemand später doch wieder zurück in sein Heimatland geht, dann könne er sich dort mit dieser Ausbildung auch gut eine Existenz aufbauen, zum Beispiel in einem Krankenhaus arbeiten.
Anja Baumgart-Pietsch
Foto: (v.l.n.r.) Zaky Bouh Diriye (Mitte) und Shahab Noori (rechts) bereiten sich auf die Prüfung vor. Projektleiterin Carolin Albert hilft ihnen dabei.
Stichwort: EVIM Freiwilliges Engagement
Die Abteilung Freiwilliges Engagement bei EVIM betreut etwa 530 Ehrenamtliche in den Arbeitsfeldern des Vereins. Zudem sind über 150 junge Menschen im Rahmen eines FSJ/BFD in den Einrichtungen des Trägers und in externen Einsatzstellen in Wiesbaden und in der Region tätig. Im Patenprogramm „Be Welcome“ wurden bisher 130 Patenschaften zu Geflüchteten vermittelt, aktuell gibt es etwa 90 laufende Tandems. Für weitere Geflüchtete, besonders im Projekt HauF, werden dringend Paten gesucht. Abteilungsleiterin ist Dr. Karin Falkenstein, Kontakt: Tel. 0611 17217014 oder 0173 6505862