„Hessen braucht HEPs“, skandieren die Teilnehmer eines bundesweiten Protesttags. 700 Personen aus ganz Hessen sind auf den Wiesbadener Kranzplatz gekommen, um gleich gegenüber der hessischen Staatskanzlei auf ihre Forderungen aufmerksam zu machen. „Ich hoffe sehr, dass das Signal, das von dieser Demonstration ausgeht, im ganzen Land gehört wird, als Aufruf: Werdet Heilerziehungspfleger und macht den Zugang leichter!“, betont Andreas Winkel, der neue hessische Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen. Außerdem wünscht er sich mehr und bessere Inklusion. Klar, dass man bei der Veranstaltung des Bündnis, das aus mehr als 40 Organisationen, Verbände und Institutionen aus Hessen besteht, mit gutem Beispiel voran geht. So hat Co-Moderator Jan Bernhardt ein Down-Syndrom. „Lasst Menschen mit Behinderung erste Wahl sein, das ist Inklusion“, fordert der Mittzwanziger. Zwei Vertreterinnen des Werkstattrats der Nieder-Ramstädter Diakonie (NRD) machen in einem Sketch deutlich, dass man HEPs nicht im Supermarkt kaufen kann. Leider, denn gebraucht werden sie als Fachkräfte, die auf komplexe und vielfältige Einsatzgebiete und Unterstützungsbedarfe vorbereitet werden, wie NRD-Vorstand Dr. Thorsten Hinz für das Bündnis erklärt. Diese könnten von Assistenz im häuslichen Umfeld über Arbeit in der Frühförderstelle bis zur Unterstützung in Schule, Wohneinrichtungen oder Werkstätten reichen.
Hessens Sozialministerin sagt Unterstützung zu
Erfreut reagieren Björn Bätz, Geschäftsführer EVIM Behindertenhilfe und Hinz auf die klaren Worte, mit denen Hessens neue Sozialministerin auf die Forderungen des Bündnis eingeht. „Es gibt eine Menge zu tun, damit wir endlich in einer inklusiveren Gesellschaft leben können“, betont Heike Hofmann (SPD). Sie kündigt bei der Veranstaltung genauso an, das Schulgeld für angehende HEPs abschaffen zu wollen wie Lösungen für einen Zugang in das Berufsfeld mit Hauptschulabschluss finden zu wollen. Schließlich existiert in anderen Bundesländern bereits die einjährige Ausbildung als HEP-Helfer. Neben der Vergütung für praxisintegrierte Ausbildung bestehe ein wichtiger Baustein für eine Reform in der Anpassung der Lehrpläne an die gesellschaftliche Entwicklung. Hierzu sei sie in Kontakt mit Kultusminister Armin Schwarz (CDU). Darüber hinaus sei sie persönlich im Gespräch mit der Bundesebene, damit man bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse schneller voran komme. Zum Forderungskatalog des Bündnisses zählt darüber hinaus, dass Menschen mit Behinderung in der Festlegung ihrer jeweiligen Assistenzbedarfe und der Qualifizierung ihrer Assistenten eng eingebunden werden. Gewünscht wird zudem eine nachhaltige Berufsfeld-Kampagne für die Arbeitsfelder Behindertenhilfe, Rehabilitation und Sozialpsychiatrie. Weiterhin eine finanzielle Unterstützung zur Anwerbung von ausländischen Auszubildenden und Fachkräften sowie die Anerkennung der HEPs als Fachkräfte in den hessischen Werkstätten für Menschen mit Behinderung.
Fachkräftemangel hat enorme Auswirkungen
Dass Vertreter der betroffenen Gruppierungen diese Forderungen mit Nachdruck unterstützen, stellt sich schnell heraus, wenn man sich mit Menschen vor der Bühne unterhält. „Der Mangel der Fachkräften bei der Eingliederungshilfe treibt uns um“, verdeutlicht etwa Björn Bätz, der Geschäftsführer der EVIM Behindertenhilfe. Dennoch sei es ihm wichtig, dass es Schutzräume für Auszubildende gibt, damit diese sich in ihre Rolle hinein entwickeln können anstatt sofort voll im Dienst gefordert zu werden. Darüber hinaus werde für die Ausbildung ein staatlicher Zuschuss als Gegenfinanzierung für die zusätzlichen Stundenanteile derjenigen Mitarbeiter benötigt, die mit der Praxisanleitung beschäftigt sind. Den bereits bestehenden Fachkräftemangel deutlich zu spüren bekommen hat Sebastian Roßkopp, dessen Tochter aufgrund einer geistigen Behinderung seit ihrem sechsten Lebensjahr im Sankt Vincenzstift in Aulhausen lebt. Weil die 19-jährige aufgrund ihres Alters dort nur noch bis zum Sommer bleiben kann, suche die Familie bereits seit fünf Jahren nach einer Alternative und habe mittlerweile mehr als 50 Einrichtungen in Hessen kontaktiert. „Die Mitarbeiter waren immer freundlich und offen, aber der absolute Engpass ist das Personal“, berichtet der Wiesbadener. Nun zeichne sich eine Lösung im Westerwald ab, was aber bedeuten würde, dass seine Tochter am Wochenende nicht mehr so oft ihre Familie besuchen könnte. „Ich weiß vom Hörensagen, dass Wohngruppen geschlossen werden müssen, weil es zu wenig HEPs gibt“, berichtet Andrea Söller, zweite Vorsitzende des Werkstattrats der NRD. Persönlich sei sie zwar nicht betroffen, weil sie selbstständig lebe, doch Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf würden oft vergessen. Ein Problem, das sich zu verschärfen droht. „Die Schülerzahlen sind bundesweit rückläufig“, weiß Bianca Girschik-Benderoth, Leiterin der Darmstädter Akademie für Pflege- und Sozialberufe der Mission Leben. Ob bei Ausbildungsmessen, über soziale Medien oder sogar Kinowerbung, mit allen Mitteln versuche man, neue Schüler zu gewinnen. Am Besten funktioniere aber die Mund-zu-Mund-Propaganda sowie der Einstieg in das Berufsfeld über ein Freiwilliges Soziales Jahr.
(von Hendrik Jung, Fotos EVIM)