„Als ich 2018 im Lindenhaus anfing, hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ausgerechnet eine Pandemie in den nächsten zwei Jahren dazu führen würde, dass ich als Hobby-Künstlerin ein kreatives Beschäftigungsangebot auf den Weg bringen würde“, sagt Sarah Capitain, die als Betreuungskraft arbeitet. Auch nach drei Jahren Laufzeit ist das Projekt weiterhin sehr beliebt. Über ihre Erfahrungen berichtet sie in einem persönlichen Beitrag:
„Ach, ich kann das nicht … wissen Sie, ich hatte immer eine 4 in Kunst“. Derartige Sätze hörte ich häufig, als ich 2020 begann, die Bewohner:innen für das Kreativ-Angebot einzuladen und sie zur Teilnahme zu motivieren. Zum Glück konnte ich derartige Aussagen immer mit einem wohlwollenden Lachen und der Reaktion „Ach, da haben wir was gemeinsam – ich nämlich auch!“ quittieren. So entwickelte sich schnell eine Basis auf Augenhöhe. Die Neugier unter den Bewohner:innen wuchs, doch mal im Angebot vorbeizuschauen. Meine Motivationsversuche und Ermutigungen haben sich gelohnt: Seit drei Jahren findet unser Kreativ-Angebot 1-2 mal im Monat im Lindenhaus statt.
Eines der wichtigsten Elemente unserer Kreativgruppe ist die wertschätzende Atmosphäre. Jede:r macht das, was gefällt, mit dem, was beherrscht wird. Unterstützend gebe ich inspirierende und orientierende Impulse in die Gruppe oder an Einzelne. Das Haus stellt eine reiche Materialienvielfalt zur Verfügung, die den kreativen Prozess zusätzlich anregt.
2022 planten wir erstmals, anhand eines Studienprojektes, eine Ausstellung unter dem Motto „Ich im Lindenhaus“. Dabei ging es um individuelle Lebenswelten der Bewohner:innen. Die Bilder fanden positive Rückmeldungen von den Mitarbeitenden und Bewohner:innen. Daher wollten wir auch bei unserem Sommerfest allen Einblicke in unsere Prozesse und Werke ermöglichen. „Ich finde es toll, dass wir über Themen sprechen, die uns persönlich bewegen und unsere Ergebnisse dann kreativ ausdrücken. So bekommt man noch einmal einen anderen Blick auf verschiedene Dinge“, erklärte eine Teilnehmerin und fügte hinzu: „Wir sprechen und lachen während unserer Arbeit an den Werken, tauschen uns aus, holen Ideen ein und behandeln aktuelle Geschehnisse und Emotionen. Oder wir beschäftigen uns mit Vergangenem.“ Eine andere Teilnehmerin meinte: „Ich gehe ja nicht mehr arbeiten, aber ein Hobby brauche ich auch.“ Es mache sie schon stolz, die eigenen Bilder hier in einer Ausstellung zu sehen und die Besucher, die sie betrachten, berichtete sie strahlend beim Sommerfest. „Dann müssen die ja schon gut sein, oder?“, sagte sie lachend.
Vieles sei aufwendiger als man zunächst denkt, aber es lohne sich am Ende immer, berichtet eine weitere Teilnehmerin. Sie bezieht sich auf das Projekt „maskiert leben“, in dem sich die Gruppe reflexiv mit der Corona-Pandemie auseinandergesetzt hat. Besucher:innen der Ausstellung schienen sich mit dieser Ausarbeitung besonders gut identifizieren zu können. Für das Projektteam war es interessant zu sehen, dass die Menschen – so unterschiedlich ihre soziale Situation auch sein mag – in dieser schwierigen Zeit sehr ähnlich empfanden.
Besonders gut kam das Action Painting beim Sommerfest an. In einem offenen und freien Prozess wurde eine große Leinwand mit Ideen gefüllt. Entstanden ist ein Bild, das sowohl die Individualität jedes Einzelnen beinhaltet, als auch in seiner Farbgebung und über die verschiedenen Ebenen eine Verbindung schafft. So entstand aus vielen kleinen Facetten ein großes Ganzes. So wie wir alle in unserer Individualität Menschen sind und bleiben und uns auf dieser Ebene gleichwertig begegnen, unabhängig von unserer aktuellen Lebenssituation und Verortung in der Gesellschaft.
Schon seit vielen Jahren können auch unsere Bewohner:innen, die Lust und Interesse am Gestalten und Experimentieren mit Farbe und Form haben, am Offenen Atelier, in echter Atelieratmosphäre, unter der Leitung von Julia Isterling teilnehmen. Acryl-, Aquarellfarbe und Kreide, sowie Ton laden auch zur dreidimensionalen Gestaltung ein. Bilder von Künstler:innen des Offenen Ateliers waren ein Teil unserer Ausstellung.
Unser Fazit: Die Ausstellung der Kunstprojekte im Lindenhaus führte zu Vernetzung, anregenden Gesprächen, entdeckten Gemeinsamkeiten und dem wertfreien und wohlwollenden Interesse am Menschen.“