„Ich bin fassungslos, erschüttert und unglaublich traurig über das, was in meiner Heimat, in der Ukraine, gerade passiert. Es ist eine extrem düstere Zeit. Verwandte, Freunde verstecken sich mit ihren Kindern vor den Bombenangriffen in Bunkern und Kellern und fürchten um ihr Leben. Es ist zu gefährlich, auf die Straße zu gehen, Menschen werden erschossen. Was sich dort abspielt, ist eine humanitäre Katastrophe! Ich höre die Nachrichten, Tag und Nacht, nicht nur aus der Ukraine, sondern auch amerikanische, englische und auch russische Sender. Es ist furchtbar zu erleben, mit welcher Propagandamaschine Russland die Ukraine diffamiert und meine Heimat „von den „Nazis befreien will.“ Einige der letzten unabhängigen Medien in Russland wurden Anfang März abgeschaltet. Die Sendestationen in der Ukraine und auch das Internet funktionieren noch – zum Glück!
Ich stehe im engen Kontakt mit Leuten, die in diesen Tagen eine Spendenaktion organisieren, um Gelder für Babynahrung, Windeln und Medikamente zu bekommen und in einem Bus bis an die Grenze zur Ukraine zu bringen. Ich organisiere gerade mit Künstlerkollegen Spendenaktionen und eine Ausstellung mit dem Spendezweck für die Ukraine. Wir sind mit Freunden in Kontakt, um sie hier aufzunehmen. Aber es ist extrem gefährlich, überhaupt dort die Wohnung oder den Keller zu verlassen. Viele wollen auch bleiben.
Abgesehen von der Tragödie, die sich dort abspielt, bin ich stolz auf die Ukraine, die gerade versucht, etwas Unmögliches möglich zu machen. Spürbar ist auch hier in Europa, dass die westliche Welt stärker zusammenrückt und sich vereint in ihrem Kampf gegen den Krieg. Unseren gesamteuropäischen Traum vom friedlichen Leben in Europa hat Herr Putin auf einen Schlag zum Platzen gebracht. Unser Sicherheitsdenken wurde zerstört. Niemand hatte sich vorstellen können, dass das so schnell möglich sein kann.
In diesen Tagen erreichen mich viele Anrufe von Freunden und von Menschen hier, die ich schon lange nicht mehr gesprochen habe. Sie alle bringen ihr Mitgefühl und ihre Solidarität zum Ausdruck. Das ist für mich ein starkes Zeichen und ein Trost in dieser furchtbaren Situation! Zu hören, dass Menschen sagen, dass sie im Herzen nah der Ukraine sind, hilft sehr! Auch wenn in dieser Zeit in mir die Wut, das Entsetzen und eine riesige Traurigkeit über das, was gerade vor unser aller Augen geschieht, groß ist. Europa soll aufwachen. Man soll verstehen, dass es nicht nur um irgendein fernes Land geht, in dem gerade eine humanitäre Katastrophe geschieht. Sondern es geht um die gesamte westliche/europäische Gemeinschaft. Um Werte, die Eure Vorfahren über die Jahrzehnte gar Jahrhunderte aufgebaut haben, die gerade auf brutalste und barbarische Art und Weise angegriffen werden.“ (Artjom Chepovetskyy, 4. März 2022)