Der Arbeitsweg von Petra Gertkemper führt von Naurod nach Sonnenberg. Dort, auf dem sogenannten EVIM-Hügel in Wiesbaden, ist sie im Wohnpflegehaus als Pflegefachkraft angestellt. Ihr Mann und ihre Tochter haben nicht nur den gleichen Weg, sondern auch den gleichen Arbeitgeber. Aber damit beginnt die Geschichte nicht.
Sondern früher. Mit den Diakonissen. Die Mutter von Petra Gertkemper arbeitete als Bürokauffrau in den achtziger Jahren im Ludwig-Eibach-Haus. Hausvorstand waren damals Heimleiter Geronne und Schwester Lina, Diakonisse bei der Inneren Mission. Die Tochter kennt das Haus noch als Altbau. Dass dort einmal ihr Mann Martin arbeiten würde, hätte sie sich zu diesem Zeitpunkt nicht träumen lassen.
Nachdem Petra Gertkemper Ende der siebziger Jahre das Krankenpflegeexamen bei der Schwesternschaft Oranien absolviert hatte, begann sie ihren Dienst im stationären Bereich an den Städtischen Kliniken in Wiesbaden. „Pflege war damals völlig anders“, lacht die 58-jährige gebürtige Mainzerin. Die Verweildauer war deutlich höher und die Arbeitsverdichtung nicht mit heute vergleichbar. Sie erinnert sich, wie schwer es ihr fiel, sich nach wochenlanger Pflege von genesenen Patientinnen verabschieden zu müssen. Daher war es für sie folgerichtig, sich nach der Geburt ihres ersten Kindes neu zu orientieren. „Ich habe einen Hang zur ambulanten Pflege“, bekennt Petra Gertkemper, „Mir gefällt es einfach, Gast im Haus zu sein und dort nicht nur Menschen, sondern auch Beziehungen zu pflegen.“
Beruflich „angekommen“
1996 kam sie zur damaligen „Zentralstation für ambulante Pflege (ZAPF)“ in Biebrich, die zu jener Zeit (noch) von den Kirchengemeinden betrieben wurde. Als wenige Monate später EVIM die Einrichtung übernahm, war ihr der neue Arbeitgeber bereits aus Kindheitstagen als ‚Innere Mission’ vertraut. Bei EVIM Ambulant lernte sie auch ihren zweiten Mann kennen, den es als Altenpfleger aus Westfalen nach Wiesbaden zog. Der Zufall wollte es, dass sie sich am Tag seines Vorstellungsgespräches begegneten. Einige Monate später wurden beide ein Paar und heirateten. Mit der Geburt von Tochter Sara 1999 endete (zunächst) die EVIM-Zeit. Martin Gertkemper suchte sich andere Arbeitgeber. Dabei blieb er seiner Berufung, als Pfleger zu arbeiten, immer treu. Nach dem Erziehungsurlaub zog es seine Frau zurück in die ambulante Pflege – beruflich bei Pflegediensten in Wiesbaden. Privat pflegte sie nebenher vier Jahre ihre Großmutter.
Als gesundheitliche Probleme zu einer OP führten, wurde ihr Arbeitsvertrag in der ambulanten Pflege nicht mehr verlängert. Das hatte sie betroffen gemacht, aber nicht entmutigt. Und so kam EVIM wieder ins Spiel. Ihr war eine „ansprechende Stellenanzeige“ von Herrn Salbeck, Einrichtungsleiter im Wohnpflegehaus, aufgefallen. Gesucht wurden Fachkräfte, die betreuen und pflegen, also genau die Kombination, die Petra Gertkemper liegt. Dort, wo Menschen mit schweren körperlichen Beeinträchtigungen leben, ist sie genau richtig und „angekommen“. Die Arbeit sei sehr abwechslungsreich und vielseitig. Es gefällt ihr, die Bewohner zu Festen oder ins Kino zu begleiten. Von ihrer jüngsten Fortbildung in Palliativpflege berichtet sie begeistert. Aber auch ihr Mann stellte die beruflichen Weichen neu. Er bewarb sich im Ludwig-Eibach-Haus in unmittelbarer Nähe vom Arbeitsplatz seiner Frau und wurde sofort eingestellt. Den Wechsel aus dem ambulanten in den stationären Bereich habe er nicht bereut. „Von der Kollegialität her ist es der beste Arbeitsplatz, den er je hatte“, schmunzelt seine Frau.
Bei EVIM in dritter Generation
Trotz dem beide mit Leib und Seele Pflegende sind, wollten sie ihre Tochter Sara in eine andere Richtung lenken. Pflege sei zwar schön, aber auch anstrengend. Sara machte mehrere Praktika und entschied sich danach für ein Freiwilliges Soziales Jahr – in der Altenhilfe bei EVIM. Dort ist sie seit August und es gefällt ihr so gut, dass sie eine Ausbildung zur Altenpflegehelferin machen will. „Unsere Tochter ist eine offener, sozialer Mensch, schon seit ihrer Kindheit“, freut sich Petra Gertkemper. Sie könne gut mit alten Menschen umgehen und fühle sich von ihnen anerkannt. Bei so viel EVIM in Familie: Ist das auch Gesprächsthema am Abend daheim? Petra Gertkemper lacht und schüttelt den Kopf: „Nein, da müsse man schon ab und an die Reißleine ziehen...“ Apropos Abend. Das Ehepaar arbeitet zumeist gegenschichtig. „Wir teilen uns die Aufgaben, darauf sind wir eingestellt“, sagt Petra Gertkemper, die seit 17 Jahren im Schichtdienst arbeitet und vor 41 Jahren ihre Ausbildung in der Krankenpflege begonnen hatte. Für ihre Hobbys bleibe aber noch Zeit. Dazu gehören Lesen, Schwimmen, Handarbeiten und die beiden Katzen, die auch gepflegt werden wollen.
Mit Erstaunen verfolgt sie, wie jüngst auf der Wertekonferenz der EVIM Behindertenhilfe, wie sehr EVIM sich immer weiter entwickelt. Mit Kindergärten, Schulen und in den Werkstätten. „Ich fühle mich hier aufgehoben“, ist sie überzeugt.
Foto (privat): Familie Gertkemper