Wie berufliche Teilhabe gelingen kann

Trotz des Bundesteilhabegesetzes bestehen nach wie vor Vorbehalte und Barrieren in der Gesellschaft, wenn es darum geht, Menschen mit Assistenzbedarf außerhalb der anerkannten Behinderten-Werkstätten (WfbM) gleichberechtigt in Unternehmen zu beschäftigen. Das Budget für Arbeit bietet jedoch eine echte Chance und deutliche Vorteile für alle Beteiligten, um den Sprung in die Festeinstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu schaffen.

 

Ein gelungenes Beispiel für berufliche Integration ist Merlin Steinebach (Foto). Seit Anfang März dieses Jahres ist der 34-jährige gelernte Restaurantfachmann mit einem klassischen Arbeitsvertrag im EDEKA Markt Haller in Oestrich-Winkel fest angestellt. Steinebach lebt in Oestrich-Winkel und kam vor vier Jahren nach einer Krankheitsphase zur beruflichen Rehabilitation an die Reha-Werkstatt von EVIM (Evangelischer Verein für Innere Mission in Nassau), die sich am Standort Oestrich-Winkel auf Scan-Dienstleistungen spezialisiert hat. Die EVIM Fachkräfte für berufliche Integration förderten ihn, um perspektivisch eine Beschäftigung außerhalb der Werkstatt aufzunehmen. Dr. Julia Drosselmeyer, EVIM Jobcoach, nahm Mitte vergangenen Jahres Kontakt zum EDEKA Markt in Oestrich-Winkel auf. Inhaber Ingo Haller zeigte großes Interesse an einer Kooperation und bot Steinebach einen betriebsintegrierten Beschäftigungsplatz (BiB) an. Dort hatte er die Chance, sich als Verkäufer im Backshop zu beweisen. Haller und das EDEKA-Team erkannten das Potenzial des Werkstatt-Mitarbeiters und waren offen, einen Menschen mit einer besonderen Biografie im Team aufzunehmen. Steinebach nutzte die Chance, die für ihn mehr war, als einen Job gut zu machen. Er selbst sei stolz darauf, wieder außerhalb der geschützten Werkstatt zu arbeiten und fühle sich als wertvolles Mitglied der Gesellschaft. „Die positiven Rückmeldungen unserer Kunden und aus unserem Team zeigen, wie gut berufliche Integration gelingen kann“, freut sich Haller. Mit seiner freundlichen Art und Zuverlässigkeit passe der neue Mitarbeiter perfekt in das Team. Bereits nach einer halbjährigen Erprobungsphase kamen alle Beteiligten überein, Steinebach in die Festeinstellung zu übernehmen. 

Deutliche Vorteile für alle Beteiligten

„Im Unterschied zu ausgelagerten Arbeitsplätzen erhalten Menschen mit Behinderung, die im Rahmen eines Budgets für Arbeit tätig sind, einen klassischen Arbeitsvertrag, der entsprechende Arbeitnehmerrechte beinhaltet und eine vollständige betriebliche Integration in das Unternehmen ermöglicht“, erläutert Dr. Julia Drosselmeyer. „Trotz des Arbeitsvertrags und des Arbeitnehmerstatus bleiben die Budgetnehmer dauerhaft voll erwerbsgemindert und daher Rehabilitanden im Sinne der Eingliederungshilfe. Dies bedeutet, dass sie ein uneingeschränktes Rückkehrrecht in die Werkstatt besitzen“, sagt die Fachexpertin, die Klienten auf ihrem Weg in Unternehmen außerhalb der WfbM begleitet. Durch eine Kombination aus finanzieller Unterstützung an den Arbeitgeber – einem sogenannten Beschäftigungssicherungszuschuss – und kontinuierlicher personeller Unterstützung am Arbeitsplatz – der Betreuungsleistung bietet das Budget für Arbeit mehr Sicherheit und deutliche Vorteile für alle Beteiligten. „Wir wollen gute Beispiele sichtbar machen“, so Dr. Drosselmeyer über diese Erfolgsstory. Sie zeige, dass Menschen mit Beeinträchtigungen Leistung bringen und geschützte Werkstätten neue berufliche Perspektiven eröffnen können. Der EVIM Werkstättenverbund vermittelte im Jahr 2023 in der Region insgesamt 156 Praktika in Betrieben, 199 BiB und fünf Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, davon vier über das Budget für Arbeit. (hk)
(Foto: evim, hrh)