Neue Nachbarn auf dem guten Hof am Geisberg

Jermain ist elf Jahre alt und sorgt mit Sarah (16) und Josi (15) hingebungsvoll dafür, dass es ihren neuen Nachbarn gut geht: für das Dach über deren Kopf und auch für die Verpflegung. Denn seit April diesen Jahres sind acht prächtige Hühner auf dem Geisberg-Gelände der EVIM Jugendhilfe in Wiesbaden zu Hause.

Auf dem alten Hofgut, wo in einem der Wohnhäuser acht Kinder und Jugendliche von EVIM betreut werden, gehören Tiere zum Leben mit dazu. Gemeinsam mit den Betreuer:innen behüten und versorgen die Kids drei Lamas, ein Chamäleon, afrikanische Riesenschnecken, Hunde und nun auch das liebe Federvieh. Das Konzept der tiergestützten Pädagogik ist hier inzwischen so erfolgreich, dass der Kostenträger den zusätzlichen Aufwand auch personell fördert, wie Teamleiter Christian Feulbach erfreut berichtet. 

Die positive Wirkung von Tieren auf Menschen ist bekannt und wird vielfach in der pädagogisch-therapeutischen Arbeit eingesetzt. Tiere be- und verurteilen nicht, sie nehmen ihr Gegenüber so an, wie es ist, sie reagieren unmittelbar und sind auf uns angewiesen. Aus dieser Beziehung erwachsen Glücksgefühle und Bindungsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Selbstvertrauen. Werte und Empfindungen die dazu beitragen, dass das Leben eines Menschen gelingen kann.

Verantwortung übernehmen

Dass Hühner sozusagen Tür an Tür bei den angestammten Lamas einziehen, war Ergebnis einer demokratischen Abstimmung in der Wohngruppe. Das Federvieh setzte sich gegen Schafe, Kaninchen und Ziegen durch. Zuerst wurde der bereits vorhandene Stall mit Futterkästen, Legekisten und Tränken ausgestattet und das Außengehege mit Unterstützung von EVIM Fachleuten gebaut. An alles wurde dabei gedacht, auch daran, dass keine ungebetenen Gäste eindringen können. Dabei halfen die Kids tatkräftig mit. Dann bekam jeder junge Mensch ein Patenhuhn und damit auch Verantwortung für das kleine Wesen. 

Jermain ist ganz bei der Sache, wenn er über seine Aufgaben berichtet. Viermal im Monat hat jeder Hühner- und Lamadienst. Dazu gehört, morgens zu füttern: Obst, Gemüse und Küchenabfälle. Die elektrische Hühnerklappe geht pünktlich um acht Uhr auf. Mittags muss „die Kacke weggemacht“ werden, das Wasserbecken gesäubert, aufgefüllt und die Pflanzen auf dem Hof gegossen werden. „Die sind nämlich wichtig, damit sich die Hühner dort verstecken können.“ Abends wird nachgeschaut, ob alle Hühner im Stall sind. So wie Jermain wissen auch Sarah und Josi über die artgerechte Haltung Bescheid. Das haben sie von ihren Betreuer:innen gelernt, die sich selbst zuvor bei der Kinder- und Jugendfarm Darmstadt professionelle Unterstützung geholt haben und eng mit anderen Experten und Tierärzten kooperieren. 

Spürbare Erfolge in vielerlei Hinsicht

„Damit das Konzept der tiergestützten Pädagogik auf 'sicheren Füßen' steht, müssen alle Betreuer:innen einen Lama-Basiskurs absolvieren. Außerdem ist geplant, dass zwei Mitarbeitende spezielle Kenntnisse in der pädagogischen Arbeit unter Zuhilfenahme von Tieren erwerben“, sagt Christian Feulbach. Das Interesse, hier in der Tiergestützten Wohngruppe zu arbeiten, sei groß. Für ihn selbst ist es die berufliche Erfüllung.

Zu erleben, wie die Kids vom Umgang mit Tieren profitieren, sei 'unglaublich', berichtet der Fachexperte. Kinder, die aus unterschiedlichen Gründen Schwierigkeiten im Umgang mit andern haben, zeigen Ruhe bei den Hühnern und Konzentration. Führen sie Besuchergruppen beim Lamatrecking, wächst spürbar ihr Selbstbewusstsein. Glücklich ist Christian Feulbach auch darüber, dass fast allen Betreuten die Tiere so ans Herz gewachsen sind wie Sarah, Josi und Jermain. Die drei kauern derweil im Hühnerstall und halten in ihrer ausgestreckten Hand das Körnerfutter. Die Hühner scharen sich drumherum und picken munter drauflos. Trotz dem die Hühner sich gleichen wie ein Ei dem anderen, erkennt Sarah ihr Patenhuhn ‚Hei-Hei‘. Um es auch allen anderen leichter zu machen, sollen die Hühner farbige Ringe bekommen. Jermain hat gleich die Idee, die Farben an die Stallwand zu malen. „Dann wissen wir alle, welches Huhn wem gehört."

Anfang August sind die Hühner noch zu jung, um Eier zu legen. Im Herbst wird der Lohn für gute Pflege sicher nicht auf sich warten lassen.
(Heide Künanz)

Foto (EVIM): Die Kids sorgen verantwortungsvoll mit dafür, dass es ihren Hühnern gut geht.

Spenden für die tiergestützte Pädagogik sind sehr willkommen. Ansprechpartner ist Klaus Friedrich, Fachbereichsleiter EVIM Jugendhilfe. Mail: klaus.friedrich@evim.de