Sozialdezernent Christoph Manjura würdigte die Outsider Art als eine Kunstrichtung, die einen anderen Blick auf unsere Gesellschaft ermöglicht. Dieser Blick berührt, denn Kunst ist nach seinen Worten immer etwas ganz persönliches. Unverwechselbar, kontrastreich, zart bis kompromisslos, knallbunt und schwarzweiß – so facettenreich sind die Bilder in dieser staunenswerten Sammlung. Der originelle Titel der Ausstellung bezieht sich auf einen bekannten Werbeslogan aus den achtziger Jahren: „Sind wir nicht alle ein bisschen Bluna...?“ wurde darin gefragt. „In der Tat“, so der Sozialdezernent, „trifft das auf uns alle zu, denn jeder habe Talente und Fähigkeiten, die hier in künstlerischer Weise und in einer großen Vielfalt zum Ausdruck kommen.“ Zu verdanken ist dies in erster Linie der Leistung der Künstlerinnen und Künstler, aber auch engagierter Menschen, die diese Ausstellung ermöglicht haben wie Julia Isterling. Sie leitet das Kunstangebot im Offenen Atelier, einem Tagesstrukturangebot für Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung. Der Kontakt zu EVIM entstand vor etwa sechs Jahren, erinnert sich Ursula Bender, Leiterin der Wiesbadener Gemeindepsychiatrie beim Evangelischen Verein. Man habe sofort eine gemeinsame Basis gehabt: das Arbeiten an den Ressourcen und auf Augenhöhe mit den Klienten. Daraus entstand die Idee, Menschen in einem „Offenen Atelier“ die Möglichkeit zu bieten, sich künstlerisch zu verwirklichen. Julia Isterling, Erste Vorsitzende des Vereins Kunstwerker e.V., ist für dieses Angebot bestens prädestiniert, lobt Bender. „Frau Isterling sprüht vor Ideen.“ Man spüre die große Freude an ihrer Arbeit und daran, dass sie an der künstlerischen und persönlichen Entwicklung der Menschen teilhaben darf, würdigt Ursula Bender. Davon zeugen die ergreifende Themenvielfalt und die große Palette der künstlerischen Stile und Ausdrucksformen, aber auch, wie Julia Isterling anlässlich der Vernissage die Künstlerinnen und Künstler vorstellte: wertschätzend, mit Empathie und auf Augenhöhe. In der Ausstellung vertreten sind: Renate Berger, Thomas Erbsleben, Bertrud Hammerbacher, Manuele Lugner, Dominik Muckenschnabel, Daniela Oberleitner, Julia Schulz, Tashey Takle und Monika Wiesmeier. Sie alle waren anwesend und stellten sich den Fragen der überaus interessierten Besucher. Wie zum Beispiel Manuele Lugner, die sagte, was ihr die Arbeit im Offenen Atelier bedeutet: „Ich entwickle mich im Malen und in mir selbst.“ Kaum glauben kann man, dass die junge Frau, die sich so gerne stylt, nur noch fünf Prozent Sehkraft besitzt. Aus der Linie malt sie charakterstarke Tiermotive, stimmig in Proportion und Farbe. Katze, Pinguin, Hase und Zebra haben an diesem Nachmittag viele Herzen erobert.
Das bevorzugte Sujet von Thomas Erbsleben hingegen sind Drachen. Die Motive ermöglichen ihm, phantasievoll und plastisch zu arbeiten. Das Thema spräche sowohl sein Interesse für Fantasy als auch sein spielerisches Innere an. So könne er gefährliche Monster malen, ohne dass die Gefährlichkeit im Vordergrund steht. Schmunzelnd fügt er hinzu, „dass die Drachen sicher keiner als Haustiere haben will, aber faszinierend sind sie trotzdem.“ Im Offenen Atelier und an der Seite von Frau Isterling habe er die Freiheit das darzustellen, was ihm wichtig ist. „Man hat dort kein Problem, Inspiration zu finden.“ Seit fünf Jahren ist er bei diesem Angebot mit dabei. Für Julia Isterling ist Erbsleben der „fleißigste Künstler“. Oftmals male er mehrere Stunden im Rahmen des Ateliers und viele Wochen an einem Bild. Sie schätze die philosophischen Gespräche mit ihm und die wohltuende Ruhe und Atmosphäre, die er verströmt.
Themen werden von Julia Isterling nicht vorgegeben. Sie geht individuell auf die Wünsche und Bedürfnisse ein, bietet unterschiedlichste Malutensilien und Materialien an. Besorgt Ton und Brennofen, wenn nötig. „Ich habe großen Respekt, was der Alltag für die Künstlerinnen und Künstler bedeutet. Es wird bei uns gelacht und geweint. In jedem Fall ist es für mich eine große Ehre, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen.“ Für Ursula Bender ist es genau diese Authentizität und die Fähigkeit, den „Moment des Augenblicks“ zu erspüren, der das künstlerische Schaffen jedes einzelnen ermöglicht.
„Das, was wir hier sehen, ist es wert, wahrgenommen zu werden“, sagt Renate Pfautsch Geschäftsführerin der EVIM Behindertenhilfe in ihrem Grußwort. Die Ausstellung trage mit dazu bei, dass Talente, Fähigkeiten und Begabungen zum Vorschein kommen und im Ergebnis zu Bildern führen, die in ihrer enormen Vielfalt beeindrucken. Die Bilder mögen viele Betrachter dazu einladen, sich auf die Geschichten einzulassen, die in den Werken erzählt werden und sie mit allen Sinnen aufzunehmen.
Angesiedelt ist die Galerie im Verwaltungsgebäude der Stadt Wiesbaden in der Konradinerallee 11. Die Galerie folgt den Leitsätzen des Sozialdezernates, Wertschätzung und Teilhabe für die Protagonisten zu ermöglichen und deren Potenziale und Ressourcen sichtbar zu machen. Veranstalter sind das Amt für Soziale Arbeit, wi&you Jugendarbeit, Konradinerallee 11 in Wiesbaden. Öffnungszeiten Mo – Fr, 9 – 16 Uhr. Zu sehen sind die Werke bis zum 7. September.
Foto (EVIM/O. Hebel): Die Besucher waren von der Ausstellung beeindruckt, hier von den Bilder einer Serie von Tashey Takle.