Es ist eine besondere Auszeichnung, in einer neugegründeten Galerie für die erste Ausstellung angefragt zu werden. Diese Ehre wurde dem Kunst-Projekt Mal_Anders der EVIM Behindertenhilfe zuteil, das mit der Eröffnung der neuen Galerie Outsider Art in Wiesbaden am 11. Februar bis 25. Juli Werke von Mal_Anders Künstlerinnen und Künstler zeigt. Die Galerie ist die erste ihrer Art in der Landeshauptstadt, die sich ausschließlich ‚Art Brut‘ widmet, jener Kunstrichtung, die abseits des etablierten Kunstbetriebes die schöpferischen Fähigkeiten von Randgruppen der Gesellschaft in den Mittelpunkt rückt.
Potenziale jenseits der Sprache
Angesiedelt ist die Galerie im Verwaltungsgebäude der Stadt Wiesbaden in der Konradinerallee 11 und damit an einem würdigen Ort, denn, so Kuratorin Alexandra Waldmann und Sachgebietsleiterin im Amt für Soziale Arbeit, Abteilung Jugendarbeit, "die Galerie folgt den Leitsätzen des Sozialdezernates, Wertschätzung und Teilhabe für die Protagonisten zu ermöglichen und deren Potenziale und Ressourcen sichtbar zu machen.“ Dies machte auch Abteilungsleiterin Hildegunde Rech deutlich, für die „Kunst und Kultur hervorragend geeignet sind, um mit der Stadtgesellschaft im Gespräch zu bleiben.“ Der Vorstandsvorsitzende des Evangelischen Vereins Matthias Loyal und Renate Pfautsch, Geschäftsführerin der EVIM Behindertenhilfe dankten für diese Initiative in Wiesbaden und die besondere ‚Einladung zur Premiere‘. Matthias Loyal betonte, wie gut das Motto dieser Ausstellung „Die Kraft des Bildes“ in das Galerie-Konzept passe, bei dem es besonders darum geht, Potenziale jenseits der Sprache zu erkennen und sichtbar zu machen. Auf den Aspekt der Teilhabe verwies auch Renate Pfautsch. „Die ausgestellten 35 Werke sind Ergebnisse eines spannenden und zum Teil langen Entwicklungsweges der Künstlerinnen und Künstler. Sie sind es Wert, nicht nur im Wohnheim zu verbleiben, sondern viele Menschen daran teilhaben zu lassen.“ Zugleich dankte sie Monika Niebergall, die als Künstlerin das Projekt seit mittlerweile 15 Jahren begleitet. Mit ihrer ‚einzigartigen Gabe‘ gelingt es ihr immer wieder neu, Talente und Fähigkeiten aus dem Menschen herauszulocken und sie in ihrer Entwicklung künstlerisch zu begleiten.
Expressive Farben und Strahlkraft der Bilder
Wie zum Beispiel Fatou Jassy-Touray, die ihre Bilder stolz präsentierte. In ihren Motiven setzt sich die junge Frau aus Gambia mit ihrer Herkunft auseinander. Ihre Selbstportraits nehmen den Betrachter direkt in den Blick. Fast scheint der geöffnete Mund uns etwas sagen zu wollen. Expressiv in der Farbgebung strahlen sie eine Lebendigkeit und Kraft aus, die niemanden unberührt lassen. Sie sucht sich ihre Farben allein aus, bevorzugt ein leuchtendes Rot oder ein sattes Grün. Schmuck spielt in der Gestaltung für sie eine große Rolle, der in den Werken spielerische Akzente setzt. Heiter sind die großformatigen Köpfe von Christian David Martiny und Patricia Pawlizyn. Sie zeugen von großer Lebensfreude mit dem abgebildeten Herzmund oder einem großartigen Lachen, das fast den ganzen Malgrund ausfüllt. „Jeder hat seinen ganz eigenen Stil dass, was ihn bewegt, in Farbe und Formen zu übertragen“, so Pfautsch. So tragen auch die hier ausgestellten Werke von Nimet Yalciner, Stavros Konstantinidis, Heidi Lose und Maria Arelaki eine je eigene künstlerische Handschrift. Es lohnt sich, auf Entdeckungsreise zu gehen und sich auf die fantastischen Werke des Denkens jenseits der Norm einzulassen. „Sie geben uns Anregung zu grundsätzlichen Fragen des menschlichen Daseins“, so Alexandra Waldmann, die selbst künstlerisch arbeitet.
Die Initiatoren der neuen Galerie Outsider Art hoffen, die verschiedenen Gruppen zu bündeln und eventuell ein Wiesbadener Netzwerk der Outsider Art anstoßen zu können. Aktuell sind 2 bis 3 Ausstellungen pro Jahr geplant. Der Auftakt hat bereits zahlreiche Ausstellungsbesucher begeistert.