Sybille De Leo ist mit Herz und Seele Schiersteinerin. Die sympathische junge Frau, die so gerne lacht, lebt in dem kleinen quicklebendigen Stadtteil mit dem großen mediterranen Flair. Seit etwa sieben Jahren arbeitet sie im Seniorenzentrum als Betreuungskraft. Sie kam als Quereinsteigerin dorthin, da sie wegen gesundheitlicher Probleme nicht mehr im Einzelhandel arbeiten konnte. Eine Freundin empfahl ihr das Jan-Niemöller-Haus. Zunächst war sie skeptisch. „Als ich hier ankam wusste ich sofort: Das ist meins.“ Sie machte die Ausbildung, sammelte Berufserfahrung. Mit den drei anderen Betreuungskräften sind sie ein kreatives Team, in dem jede auch ihre Begabungen einbringen kann.
Sybille de Leo war „schon immer“ kreativ unterwegs, was ihr vermutlich in die Wiege gelegt worden ist. Ihr Vater war Schreiner, ihr Großvater hatte einen Friseursalon, fotografierte und schrieb für das Lokalblatt „Schiersteiner Leben“. Seine Enkelin malt leidenschaftlich gern – seit jüngstem am liebsten an ihrem Arbeitsplatz. Dort entstanden seit Herbst vergangenen Jahres großformatige Wandbilder, die zu einem „Spaziergang durch Schierstein“ einladen. Sybille De Leo holt die vertraute Umgebung für die Bewohner nach drinnen. So entstand auf der Etage, wo Gottesdienste gehalten werden, das sogenannte Kirchenbild mit der Christopherus-Kirche. Geschickt integrierte die Künstlerin den nahen Wasserturm und das beliebte Fährschiff Tamara samt Hafenbrücke im Bild. Natürlich ist auch das Adebar-Nest auf dem Schornstein dabei. Über allem prangt das Wappen mit dem Reichsapfel, stimmungsvoll von Weinreben umrankt.
Malen möchte sie auch den historischen Zehnthof, die alte Hafenschule und die katholische Kirche. Dafür hat die Mitarbeiterin sogar Skizzen von Baurat Simon aus den fünfziger Jahren. Diese haben ihr Ludwig und Hildegard Link überreicht. Beide sind Gemeindemitglieder und ehrenamtlich für den Gottesdienst im Haus tätig. Ganz überrascht sei sie gewesen, wie viele Kontakte über das Malen entstanden sind. „Viele haben mich auf die Bilder hin angesprochen, wussten über Lokalgeschichte Bescheid und erinnerten sich an manche Begebenheit.“
Sybille De Leo malt „aus der Hand“. Eine Skizze auf einem Blatt Papier reicht ihr für ein Wandbild aus. Begeistert erzählt sie, wie die Bewohner Ideen mit eingebracht haben. So zum Beispiel bei ihrem ersten Werk, dem „Vier-Jahreszeiten-Baum“, der Frühling, Sommer, Herbst und Winter in sich vereint. Sogar ein echtes Vogelhäuschen kann man darin entdecken. Gestaltet hat sie es mit den Bewohnern. „Manchmal war es wie im Kino“, erinnert sie sich schmunzelnd. Die Zuschauer saßen in vier Reihen auf dem Flur hintereinander, begutachteten und kommentierten fachkundig. Als sie am Abend langsam ihre Plätze verließen, hielt nur noch einer die Stellung und schaute bis zuletzt zu – Engelchen, der niedliche Stubentiger, der im Wohnbereich lebt.
Die Schiersteinerin ist glücklich, in diesem Haus beruflich angekommen zu sein und sich verwirklichen zu können. „Hier möchte ich bleiben“, ist sie überzeugt und schaut durch die lichten Fenster in den schönen Garten. Dort sitzen zwei Seniorinnen im Strandkorb und lassen sich das Eis vom Italiener um die Ecke schmecken. Die Sonne spiegelt sich im Fluss. Ein Segelboot schaukelt im Wind. Schierstein eben – draußen und drinnen.
Foto (EVIM): Sybille De Leo vor dem Vier-Jahreszeiten-Baum im Jan-Niemöller-Haus in Wiesbaden-Schierstein.