Wenn in der Jugendhilfe das Beständige der Wandel ist, dann ist die Interkulturelle Jugendwohngruppe (IJWG) Saalburgstraße in Bad Homburg ein weiteres Beispiel dafür. Die vollstationäre Einrichtung wurde vor fünf Jahren mit dem Ziel eröffnet, unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten (UMA) einen sicheren Ort und Perspektiven für ihr Leben zu bieten. Damals, so erinnert sich Stephanie Boßmann an die Zeit, als besonders viele Geflüchtete nach Deutschland kamen, lebten zehn UMAs und ein deutscher Jugendlicher in der Wohngruppe. „Heute ist es genau umgekehrt.“ Das Betreuungs- und Wohnangebot mit derzeit neun stationären Plätzen richtet sich an junge Menschen im Alter ab 16 Jahren, die nicht oder vorübergehend nicht zu Hause wohnen können, zum Beispiel wegen Vernachlässigung, Gewalterfahrungen oder Überforderung. Hier trainieren die Jugendlichen alle Kompetenzen, um ihr Leben zu einem frühen Zeitpunkt selbstständig zu bewältigen. „Vielen konnten wir in den vergangenen fünf Jahren helfen“, weiß die Hauswirtschaftskraft, die von der ersten Stunde an dabei ist. Besonders gern erinnert sie sich an eine Jugendliche, die mittlerweile eine Erzieherausbildung begonnen hat. Um den Jugendlichen über ein Praktikum oder ein FSJ eine berufliche Orientierung zu ermöglichen, kooperiere man eng mit anderen EVIM Arbeitsfeldern, darunter dem Schlockerhof und der Flersheim-Stiftung. Mit im Team um Stephanie Boßmann ist seit April diesen Jahres Sarah Patt. Sie ist Erzieherin und Sozialpädagogin und arbeitete vorher in einem Kindergarten. Zu EVIM kam sie über eine Freundin, die in der EVIM Bildung tätig ist. Sie fühlt sich hier genau am richtigen Ort: „Hier steht das Kind im Mittelpunkt und alle tragen das Konzept mit.“ Besonders wichtig sei aus ihrer Sicht, dass hier „ganz viel Beziehungsarbeit“ geleistet werden und die Jugendlichen die Wertschätzung erfahren, die sie brauchen, um ihr Leben selbstständig bewältigen zu können.
Neue Angebote aktiv mitgestalten
Am Pavillon der Ambulanten Hilfen Hochtaunuskreis geht es trubelig zu. Die Kids wollen das eine oder andere von ihren Betreuern wissen und kurven mit den Rollern über den Hof. Im Januar 2021 wurde der Standort in Steinbach eröffnet. „Es gab so viele Anfragen über die Jugendämter, dass die Räumlichkeiten der Ambulanten Hilfen in Bad Homburg einfach nicht mehr ausreichten und das Team zu groß wurde“, sagt Teamleiterin Stephanie Edling. Da man von jeher in Steinbach gut verortet war und dort Betreuungsbedarf bestand, suchte man eine passende Unterkunft für das Angebot. „Wir waren mehr als glücklich, als wir eine sehr schöne Wohnung mit großem Balkon mieten konnten“, freut sich die Teamleiterin. „So können wir den Kindern und Jugendlichen einen sicheren Ort zu bieten, an dem sie sich treffen können.“ Neue Angebote wurden in Kooperation mit dem Jugendamt konzipiert, wie der „Mittagstisch“. Zweimal in der Woche bekommen die Kinder hier am Nachmittag nicht nur eine warme Mahlzeit, sondern auch Hausaufgabenbegleitung, Unterstützung und Hilfe direkt vor Ort. Auch das Ferienprogramm wurde in diesem Jahr verstärkt, um den Kindern nach den Erfahrungen vom Lockdown in Corona-Zeiten schöne Erlebnisse zu verschaffen. Ein Besuch im Taunus-Wunderland gehörte genauso dazu wie Wanderungen und Ausflüge zum See. „Aber auch auf kleinere Aktivitäten legten wir Wert, um den Familien Anregungen zu geben, mit begrenzten Mitteln ihren Kindern Abwechslung zu ermöglichen.“ Derzeit betreue das Team 24 Familien sowie Jugendliche im Außenbetreuten Wohnen. Stephanie Edling schätzt die Herausforderung, einen neuen Standort aufzubauen und als Team zu wachsen. „Es ist super, dass man bei EVIM mitgestalten kann.“ Außerdem würdigt die Teamleiterin die „tolle Zusammenarbeit mit den Jugendämtern im HTK und in Bad Homburg.“ Das gebe allen viel Freiheit, Ideen umzusetzen.
Im Wandel begriffen ist auch die vormalige IJWG Grävenwiesbach, die Schritt für Schritt in eine Kinderwohngruppe umgewandelt wird. Hintergrund ist, dass keine minderjährigen Geflüchteten nachkamen und die dörfliche Umgebung für jüngere Kids besser geeignet ist, um gut aufzuwachsen. Laura Linner absolviert hier ihr FSJ und fühlt sich im Team gut integriert. Yannik Malende berichtet, dass das Konzept für die Umbaumaßnahmen vor zwei Monaten angestoßen wurde und sich an der neuen Zielgruppe der 6- bis 12jährigen orientieren wird. Aktuell leben sieben Teenies im Alter von 13 bis 16 Jahren hier. Annalena Dombach, die im Anerkennungsjahr der Erzieherausbildung mitarbeitet, spricht über die Ideen, den Standort noch schöner zu gestalten: „Wir sind hier sehr naturverbunden.“ Daher habe das Team vor, Hochbeete anzulegen und eine Blumenwiese für Bienen. Ein Gewächshaus gebe es bereits und die selbstgeernteten Kohlrabi, Tomaten & Co. sind natürlich besonders lecker.
Neue Fachkräfte für steigende Bedarfe
So vielfältig die Angebote sind, so eng erweist sich die Vernetzung, um jedem einzelnen Kind und Jugendlichen mit hoher Fachlichkeit individuell zu helfen. „Der Betreuungsbedarf ist nicht nur da, sondern wächst ständig“, bestätigt auch Regionalleiter Thomas Baecker. Und damit auch die Herausforderung, neue Fachkräfte zu gewinnen. Daher freue er sich besonders, dass eine ganze Schulklasse der Erzieherschule Usingen zu Gast sei und sich über die Angebote informieren möchte. Zu der gelungenen Veranstaltung trug mit bei, dass die Besucher auch kulinarisch aufs Beste versorgt wurden und sich sehr herzlich willkommen fühlten.
von Heide Künanz
Foto (EVIM): Ein starkes Team für starke Kids: (v.l.n.r.) Stephanie Boßmann, Raphael Magin, Sarah Patt, Fabian Büchner und Melissa Stüber am Pavillon der IJWG Saalburgstraße Bad Homburg.
Im Hochtaunuskreis ist die EVIM Jugendhilfe mit rund 40 Mitarbeiter:innen in vielfältigen stationären, teilstationären und ambulanten Angeboten an unterschiedlichen Standorten tätig: Interkulturelle Jugendwohngruppe Saalburgstraße (6 Pädagogen, 1 Praktikant, 1 Hauswirtschaftskraft); Kinderwohngruppe Grävenwiesbach (6 Pädagogen, 2 Praktikanten, 1 FSJ, 1 Hauswirtschaftskraft); Ambulante Hilfen Hochtaunuskreis (4 Pädagogen, 1 Praktikantin); Interkulturelle Verselbständigungsgruppe (3 Pädagoginnen); Tagesgruppe Plus Wehrheim, (6 Pädagogen, 1 Hauswirtschaftskraft); Frühe Hilfen Hochtaunuskreis (3 Familienhebammen); Ambulante Hilfen Bad Homburg (5 Pädagogen)