Zurück zum Anfang, dorthin, wo alles begann. Zu den Märchen, Mythen und Sagen. Wo Däumelinchen in einer Blume schlummert, wo János, der bekannteste ungarische Volksheld, für das Gute und Gerechte kämpft, wo der Kleine Zinnsoldat den Widrigkeiten des Lebens trotzt und Till Eulenspiegel mit seinem Schabernack die Leichtgläubigen zum Narren hält. Die in Ungarn geborene Künstlerin Eva Leszek widmet ihre neue Ausstellung im EVIM Seniorenzentrum Hochheim dem Reich der ‚Helden, Götter und Gauner‘ und lässt sich von diesem Sujet zu traumhaften Bildern inspirieren.
Dabei setzt sie die sehr alte Emailletechnik prominent in Szene. Die Arbeit mit Farbpulver, Kupfer- und Eisenplatten und dem Brennofen begeistert Eva Leszek immer wieder aufs Neue. Denn letztendlich birgt das Ergebnis immer Überraschungen. „Viel hängt vom Zufall ab, wenn das Farbpulver auf dem Material schmilzt und aushärtet“, so Leszek. Dadurch entstehen oft mehrere Zyklen zu einem Thema. Insgesamt 250 Arbeiten habe sie geschaffen, von denen 40 in dieser Ausstellung zu sehen sind.
Mit hoher Kunstfertigkeit gelingt es Leszek, das Geheimnisvolle der mythologischen Geschichten in eine bezaubernde Bildsprache zu übertragen. Die Protagonisten aus der literarischen Vorlage scheinen auf dem exotisch-anmutenden Material zu schweben und nicht wenige Besucher zur Vernissage am 5. Juli fühlten sich an den Maler-Poeten Chagall erinnert. Das ‚Lied der Lieder‘ mag dafür ein besonders schönes Beispiel sein oder ‚Moses und der Berg Sinai‘.
Fast wie eine Zäsur mutet die Hinwendung von Eva Leszek zu den Anfängen an: Nach der Familienphase und beruflicher Erfüllung wollte sie dem nachspüren, welchen Einfluss die Märchen und Mythen auf ihr Leben hatten. Sie las im Original und verglich Übersetzungen. Manchmal war sie erstaunt über den gemeinsamen Ursprung der Geschichten. „Ich merkte, wie mir die Finger juckten, ich musste das alles auf Kupfer- und Eisenplatten festhalten.“ Und schlug damit erneut einen Bogen zu dem, was sie sich für ihr berufliches Leben einst erträumt hatte.
Ihre Ausbildung begann verheißungsvoll an einem künstlerischen Fachgymnasium in Budapest. Der begehrte Platz an der Kunstakademie blieb ihr jedoch verwehrt. Das sozialistische Ungarn verließ sie illegal 1979 und schuf sich mit ihrem Mann, seinem Sohn und der gemeinsamen Tochter eine neue Existenz in der Bundesrepublik. Sie arbeitete für EOS-Film und das ZDF als Hintergrundbildnerin, sie dekorierte Schaufenster und half zuweilen am Staatstheater Wiesbaden im Bühnenbild aus. Ihr Wunsch „anderen Menschen zu helfen“ und ihre Neigung, gerne für alte Menschen da zu sein, ließen sie eine Ausbildung zur Altenpflegerin absolvieren. Seit 1992 arbeitet sie beim Evangelischen Verein und seit 2004 im Seniorenzentrum Hochheim. Einrichtungsleiterin Romina Gabriel ist des Lobes voll über ihre langjährige Mitarbeiterin, die mit ihrer Doppelbegabung das Leben in der Einrichtung bereichert. Mit kleineren Ausstellungen machte Eva Leszek bereits 2004 und 2006 im Seniorenzentrum auf sich aufmerksam. 2011 fand ihre Ausstellung im Rathaus der Stadt große Resonanz.
Das künstlerische Credo von Eva Leszek ist, dass die Liebe zur Kunst jeden Menschen bereichert. „Kunst verbindet und schafft Nähe.“ Schließlich seien wir alle Helden des Alltags und hätten etwas Göttliches in uns – „wobei auch Götter ihre Schattenseiten haben“, fügt sie nach einer kurzen Pause leise hinzu. Wer sich auf den Weg macht, den Sagen und Märchen, der griechischen Mythologie und den christlich-biblischen Themen in der Übertragung von Eva Leszek nachzuspüren, wird viel entdecken können und manches davon wird gewiss an die eigene Kindheit erinnern.
Die Bilder von Eva Leszek im Seniorenzentrum Hochheim, Alte Malzfabrik 3, sind bis zum 5. Oktober zu sehen.
(Foto: Ulrich Wirtz von Mengden)