Vor zwei Jahren ging Heidemarie Scharf, die im Hessischen Landwirtschaftsministerium tätig war, in den Ruhestand. Sie wollte ein sinnvolles Ehrenamt ausüben. Und landete im Patenprogramm, wo ständig Bedarf an engagierten Leuten herrscht, die sich um Menschen kümmern, die aus ganz verschiedenen Gründen aus dem Ausland in die hessische Landeshauptstadt gekommen sind.
Ein Großteil davon sind Geflüchtete, erklärt EVIM Verantwortliche Andrea Walter. Aber es sind auch sogenannte Arbeitsmigranten und -migrantinnen, die ähnlichen Unterstützungsbedarf wie die junge Pakistanerin Qudsia Mussarat haben: Die Sprache verbessern, in Deutschland ankommen, durchblicken, wie das Leben hier funktioniert. Wie geht eine Bewerbung, was kann man Schönes in seiner Freizeit anfangen, was brauchen die Kinder. Qudsia Mussarat arbeitet mittlerweile nach einer Umschulung im Hessischen Finanzministerium als Verwaltungsfachkraft. Die Mutter zweier Kinder hatte in ihrem Geburtsland eine Ausbildung zur Schneiderin gemacht. Damit konnte sie hier nicht viel anfangen – und sie wollte auch mehr, wie sie, vor Energie sprühend, erzählt.
Das Treffen findet in Heidemarie Scharfs malerischer Hofreite in Nordenstadt statt, die Patin hat Flammkuchen bereitet, in der Scheune sind viele Gemälde, die Qudsia Mussarat gemalt hat. Gerade gab es hier eine kleine Ausstellung, Heidemarie Scharf hatte ihren „Soroptimistinnen“-Club zu einem Abend mit „Goethe und Wein“ eingeladen. Mussarat und ihre Bilder waren die heimlichen Stars des Abends, erzählt Heidemarie Scharf. „Ein Bild wurde sogar verkauft.“ Die Pakistanerin malt weiter, entwickelt sich, will 2024 einen Abend mit Live-Malen zu Live-Musik in der Scheune im Rahmen der örtlichen Kulturtage veranstalten. Qudsia Mussarat hat Energie für drei, so scheint es. Ihre Kinder betrachten Heidemarie Scharf mittlerweile auch als eine Art Ersatz-Oma. „Schwätzen kann ich gut“; sagt Heidemarie Scharf und lacht herzlich. Das sei doch die ideale Qualifikation für ein derartiges Ehrenamt.
Das Deutsch der jungen Pakistanerin ist jetzt ganz prima. Und auch beim Durchdringen des Behördendschungels erhält sie Unterstützung von ihrer Patin. Das Patenamt, erklärt Andrea Walter, ist theoretisch für ein halbes Jahr geplant. „Doch die allermeisten bleiben hängen.“ Denn in den allermeisten Fällen passen die von Andrea Walter zusammengestellten Tandems so gut zusammen, dass Freundschaft entsteht. Deutsche kennenzulernen, sei im Alltag leider oft nicht einfach, konstatiert Qudsia Mussarat. „Viele sind ziemlich verschlossen.“ Für den Hinweis auf das Be Welcome-Programm sei sie sehr dankbar gewesen. Sie war schon lange in Deutschland, war 2011 ihrem Mann im Rahmen der Familienzusammenführung gefolgt. Sie brannte darauf, zu arbeiten, jobbte zunächst in einer Bäckerei, wollte dann aber eine echte Umschulung machen. Die beiden Kinder kamen zur Welt, doch die Ehe ging in die Brüche. Aber auch damit ist die junge Pakistanerin klargekommen. Sie fährt Auto, lernt Klavier spielen, malt und möchte eines Tages selbst einmal Patin bei Be Welcome werden. „Das ist so was Tolles.“ Das findet Heidemarie Scharf auch. „Ich habe so viel davon.“
In zwei ausführlichen Bewerbungsgesprächen wird die Motivation ausgelotet und der oder die passende Tandem-Partner:in gefunden. Ein Problem, das nicht bearbeitet wird, ist die Wohnungssuche. „Das können unsere Paten nicht leisten.“ Das sei zu schwierig, dominiere sonst irgendwann alles. Aber es gibt auch schöne Geschichten aus der Freizeit, wie die einer Patin, die mit einem jungen Syrer nach Mainz fuhr, um die Chagall-Fenster anzuschauen. „Sie haben mir anschließend erzählt, dass sie sich genau die Weihnachtskrippe angeschaut haben und über die Rollen der dargestellten Personen sprachen.“ (abp), Foto:evim)
Kontakt über Andrea Walter, Mobil 0172 4115398, Mail: be-welcome@evim.de