Die Arbeit der letzten Monate kann man nur erahnen. Aus dem Altbestand wurde ein Wohlfühlhaus, das mit viel Herzblut und Liebe zum Detail eingerichtet wurde. Die Ferienwohnungen wurden zurückgebaut und saniert, das Elternhaus der Familie Lichius renoviert und mit dem ehemals Apartmenthaus verbunden. So entstanden über die beiden Gebäude verteilt mehrere großzügige Zimmer für Kinder, Gemeinschaftsräume, Funktions- und Büroräume.
Annika* ist mit 13 Jahren die Älteste in der neuen Wohngruppe. Entspannt sitzt sie beim Tag der offenen Tür mit den Besuchern am reichhaltig gedeckten Buffet und lässt sich die Muffins schmecken. Sie lebt seit etwa vier Wochen in der Wohngruppe und hat wie alle anderen ein eigenes Zimmer. Ihr persönlicher Rückzugsbereich befindet sich im obersten Stock und mit etwas räumlichen Abstand zu den jüngeren Kindern. Geduldig beantwortet sie die Fragen nach ihrem Tagesablauf, der sich in nichts von anderen Gleichaltrigen unterscheidet. Morgens geht es mit dem Bus in die Schule, nachmittags mit der Regionalbahn und dem Bus zurück in ihr neues Zuhause. In der Klasse 8c in Bad Ems wurde sie nett aufgenommen, sie fühlt sich dort wohl. „Es ist toll, hier zu wohnen“, sagt sie und freut sich besonders über die Tiere im großen Haus. Das sind derzeit die beiden Kaninchen. Die Freigänger-Katzen werden im Frühjahr eingewöhnt. „Vielleicht kommt auch mal ein Esel hinzu“, schmunzelt sie. Die haben an diesem Ort in Hömberg Tradition. Das bestätigt auch Mitarbeiterin Jaqueline Lotz. Sie hat dem kürzesten Arbeitsweg, denn sie stammt aus dem kleinen Ort inmitten idyllischer Landschaft. Sie kann sich noch gut an die Ausfahrten mit Eseln erinnern, die den Kindern des Ortes regelmäßig angeboten wurden.
Die Wohngruppe wird im Laufe der nächsten Wochen und Monaten Tiere in die Betreuung mit aufnehmen, um den tiergestützten pädagogischen Ansatz in die Betreuung mit und für die Kinder mit einzuweben. Dieser Ansatz gibt den Kindern unter anderem die Möglichkeit, über einen anderen Zugang wieder in eine gute Beziehung zu sich und der Umwelt zu kommen und Erlebnisse aus der Biografie der Kinder zu verarbeiten bzw. zu bearbeiten. Hier gestattet der Umgang mit den Tieren einen einzigartigen und besonderen Zugang zurück in ein ausgewogenes und positives Erleben von Beziehung.
Die Scheune wurde nach dem langen Übergang wieder hergerichtet. „Wir fangen zuerst mit Kleintieren an und schauen, wie gut die Versorgung der Tiere klappt“. Die Stallungen sind groß genug, um weitere Tiere aufzunehmen, die vorher hier ihre Behausungen hatten. Aber auch das großzügige Gartengelände gegenüber gehört mit dazu. Dort haben derzeit die Ziegen des Nachbarn Quartier bezogen.
In der Wohngruppe Hömberg können sieben Kinder ab 4 Jahren bis etwa 12 Jahre aufgenommen werden, ein Zuhause finden und groß werden. Ziel ist es, Kindern und Jugendlichen eine langfristige Unterbringung in einem familiären Umfeld zu ermöglichen, mit Begleitung in die Selbständigkeit. Die Begriffe Beheimatung, Integration und Partizipation sind feste Bestandteile und Grundlagen, um individuell die der EVIM Jugendhilfe anvertrauten Kinder zu stärken, zu fordern und zu fördern.
„Neben der pädagogischen Haltung der EVIM Jugendhilfe möchten wir einen Ansatz sehr deutlich hervorheben, ein Ansatz der uns auch eine Herzensangelegenheit ist: - Das Kind steht im Mittelpunkt! Wir richten uns stets nach seinen individuellen Bedarfen aus und die EVIM Jugendhilfe garantiert im Rahmen eines Betreuungsversprechens, für unsere Betreuten das Bestmögliche zu erreichen“, sagt Regionalleiter Tobias Emmel.
In diesem Sinne freut sich das Team der Wohngruppe, gemeinsam mit den Bewohnern von Hömberg und der Region, den Kindern ein Zuhause zu gestalten. Frei nach dem afrikanischen Sprichwort „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf“. Das zeigte sich aufs Beste beim Tag der offenen Tür, denn die Resonanz von Seiten der Gemeindevertreter, Landrat und Kirchengemeinden, von Nachbarn, Kollegen, Freunden und Förderern war enorm. Große Freude und Dankbarkeit rief das Angebot der Gemeinde hervor, den Kindern der Wohngruppe ein Weihnachtsgeschenk im Wert von jeweils 50 Euro zu ermöglichen. „Schön, dass mit den Kindern wieder Leben ins Dorf kommt“, freut sich eine Nachbarin bei der Führung durch die schön gestalteten Räume. Und Tobias Emmel ergänzt: „Hömberg und die Region haben uns die Hand gereicht, gerne haben wir diese angenommen und fühlen uns herzlich willkommen!
*Name von der Redaktion geändert
Heide Künanz/Tobias Emmel
EVIM Jugendhilfe
Die Jugendhilfe des Evangelischen Vereins für Innere Mission in Nassau (EVIM) wurde 1853 auf Initiative des Wiesbadener Pfarrers Ludwig Wilhelm Eibach als ‚Rettungshaus‘ gegründet. Vorbild war das „Rauhe Haus“ von Johann Hinrich Wichern in Hamburg.
Die EVIM Jugendhilfe heute ist eine dezentrale Jugendhilfeeinrichtung mit differenziertem Angebot und bietet Kindern, Jugendlichen und Eltern Hilfen nach dem SGB VIII, § 27ff, an. Es handelt sich hierbei um stationäre, teilstationäre und flexible Angebote mit verschiedenen Ausformungen. Über 400 Mitarbeitende betreuen mehr als 700 Kinder und Jugendliche zwischen 0 und 21 Jahren in über 70 Betreuungseinheiten.
Die EVIM Jugendhilfe ist seit 1993 im Rhein-Lahn Kreis in Form einer Wohngruppe in Hahnstätten tätig. 2009 kamen die ambulanten Hilfen, 2013 die Wohngruppe Patersberg, 2015 die Flexible Wohngruppe in Katzenelnbogen und nun 2019 die Wohngruppe in Hömberg hinzu.